Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

MONTS IM REGEN 255 
weihung, die in Gegenwart des Königs von Italien erfolgen sollte, das ganze 
Diplomatische Korps eingeladen war. Gerade als die Feier beginnen sollte, 
setzte ein kleiner Regenschauer ein. Das Diplomatische Korps war, der in 
solchen Fällen üblichen Etikette entsprechend, in Uniform erschienen. 
Nun war Monts einerseits ein großer Hypochonder, dem immer für seine 
Gesundheit bange war, andererseits aber berühmt geizig. Er fürchtete, 
bei dem Regen sich einen Schnupfen zu holen, er zitterte für scine Uniform. 
Er geriet allmählich in solche Erregung, daß er auf dem durch den Regen 
etwas mitgenommenen Festplatz mit lauter Stimme rief: „Regardez-moi 
cette salet&!““ Neben ihm ging sein französischer Kollege Barre£re. Ich habe 
schon bei einer anderen Gelegenheit erzählt, daß der viel gewandtere und 
zielbewußtere Barrere mit Monts spielte wie die Katze mit der Maus. 
Sobald er die Aufregung von Monts bemerkte, ging er mit freundlichster 
Miene auf ihn los, um ihn noch mehr aufzustacheln: „Cette pluie est 
vraiment d@sagr&able, nous allons tous attraper un gros rhume, vous avez 
’air bien päle. Et puis nos uniformes seront abimes. Et ces uniformes 
chamarres d’or coütent tr&s cher!“ Monts, der nun völlig den Kopf verlor, 
ging auf den Minister des Äußern, den Grafen Guicciardini, los und schrie 
ihm mit lauter Stimme zu: „In’y a ici que les diplomates et les domesti- 
ques qui soient en uniforme. Je vous fais la une observation tr&s serieuse.“* 
Schließlich machte er dem Bürgermeister von Mailand, dem Grafen Ponti, 
eine solche Szene, daß der ihm erwiderte: „Wenn Sie als Graf Monts zu mir 
sprächen, würde ich gezwungen sein, als Graf Ponti Sie fordern zu lassen. 
Da Sie aber deutscher Botschafter sind, werde ich mich bei meiner Regie- 
rung beschweren.‘ Beide, Ponti sowohl wie Guicciardini, galten, und mit 
Recht, für deutschfreundlich. Während Monts in dieser Weise auf dem 
Festplatz herumtobte, äußerte Barr£re lächelnd zu den ihn umringenden 
Italienern: „Comme les Allemands sont violents! Comme ils sont mal 
eleves! Comme ils aiment a provoquer des rixes! On a bien raison de parler 
de querelles d’Allemand.““ Bekanntlich nennt der Franzose „une querelle 
d’Allemand“ einen vom Zaun gebrochenen Streit. Als sich Monts am näch- 
sten Tage von seinem Koller erholt hatte, fühlte er doch, daß diesmal seine 
Form- und Taktlosigkeit das Maß des Erlaubten überschritten habe. Er 
suchte einen kurzen Urlaub nach und bat mich schriftlich um Empfang und 
Unterredung. Als ich ihn kurz vor meiner Abreise aus Berlin vorließ, 
erklärte er mir, er wisse wohl, daß sein Verhalten nicht zu rechtfertigen 
wäre. „Ich habe mich unglaublich benommen“, sagte er mir wörtlich. Seine 
einzige Entschuldigung sei die durch seine Kränklichkeit hervorgerufene 
totale Zerrüttung seiner Nerven. Er bäte mich, einen längeren Urlaub für 
ihn zu beantragen, damit er sich in einem Sanatorium gründlich auskurieren 
könne.
	        
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