Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Neubesetzung 
des 
Kolonialamıs 
. 
266 DERNBURG WIRD KOLONIALDIREKTOR 
Auch unter den letzteren sind nach der Versicherung guter Kenner der 
Verhältnisse viele innerlich nicht antimonarchisch. Andererseits ist aber 
das deutsche Volk unendlich empfindlich gegenüber allem, was nach 
Absolutismus aussieht. Ich habe nur die Wahrheit gesagt, wenn ich öffent- 
lich erklärte, Eure Majestät hätten nie die Verfassung verletzt und würden 
sie nie verletzen. Aber manche Reden und Telegramme Eurer Majestät 
sind in diesem Sinne gegen Sie ausgebeutet worden. Die hierdurch hervor- 
gerufene unruhige und mißtrauische Stimmung bei allen Parteien und in 
allen Schichten der Bevölkerung erschüttert in keiner Weise mein Vertrauen 
in Gott, zu Eurer Majestät und in den Stern des deutschen Volks, macht 
mir aber eine umsichtige Taktik zur Pflicht. Sie wollen mir glauben, daß 
meine Worte und Vorstellungen eingegeben sind von wahrer Liebe und 
treuer Sorge für Eure Majestät.‘ Der Kaiser schrieb ad marginem dieses 
Briefes: „Einverstanden! Besten Dank! Ich ändere mich nicht! Und es 
wird weiter geschimpft werden.‘ In seinem Buch „Die europäische Politik 
unter Eduard VII.“ erzäblt J. A. Farrer: der bekannte englische Politiker 
Sir Charles Dilke habe die Rede des Fürsten Bülow vom 14. November 1906 
über die internationale Lage als eine der besten gerühmt, die je ein Staats- 
mann gehalten habe. 
Als sich Anfang September die Angriffe gegen die Kolonialabteilung 
immer mehr häuften, hatte ich den Leiter des Kolonialamtes um ein- 
gehenden Vortrag gebeten. Die Ausführungen des Erbprinzen von Hohen- 
lohe-Langenburg waren sehr dürftig. Er beschränkte sich im wesentlichen 
darauf, mir in überaus höflicher Form zu sagen, es würde ihn lebhaft 
interessieren, zu hören, wie ich selbst über die ganze recht schwierige und 
verwickelte Materie dächte. Ich sah ein, daß es nicht so weiter ginge, und 
da er mir am Tage vorher gesagt hatte, wie sehr er bedaure, den Winter 
nicht mit englischen Verwandten und guten Bekannten in Nizza verleben 
zu können, ersuchte ich ihn in freundlichster Weise, die Cöte d’Azur aufzu- 
suchen und die Politik lieber anderen zu überlassen. Aber wen als Nach- 
folger wählen ? Erni Hohenlohe war außer an seiner Unfähigkeit auch daran 
gescheitert, daß er wegen seiner nahen Beziehungen zum Evangelischen 
Bund vom Zentrum mit Mißtrauen behandelt worden war. Da erinnerte ich 
mich an ein Wort, das mir in seiner humoristischen Weise der Präsident des 
Reichstags, der treflliche Graf Ballestrem, einmal gesagt hatte: „Ein 
evangelischer Kultusminister ist uns nicht gerade sympathisch‘, meinte 
er, „einen katholischen können wir als Minorität nicht verlangen, wie wäre 
es, wenn Sie uns einen jüdischen Kultusminister gäben ?““ Ich dachte für 
das Kolonialamt zuerst an Walter Rathenau, den ich damals noch nicht 
persönlich kannte, von dessen vielseitiger Begabung ich aber gehört hatte. 
Schließlich entschied ich mich für den Direktor der Darmstädter Bank,
	        
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