DER KARDINAL GEGEN DIE ZENTRUMSFRAKTION 273
bracht. Er antwortete mir „mit bewegtem Herzen“ und fügte hinzu: „Es
wird die Zabl der Personen und Kreise nicht groß sein, die das Verhalten
des Zentrums in diesem Jahre billigen und an ihm Freude haben. Ich brauche
nicht zu bezeugen, daß ich nicht zu ihnen gehöre. Auch im Vatikan ist
man bestürzt und unwillig über die jüngsten Ereignisse und bewertet die
Haltung des Zentrums in abfälligster Weise. Man hält es nicht allein für
einen schweren Fehler nach oben, sondern auch für eine unbegreifliche
Undankbarkeit gegen Eure Durchlaucht, der man eine solche Lage hätte
ersparen müssen... Was aber auch kommen möge, solange Eure Durch-
laucht das Ruder führen, blicke ich ruhig in den Wirrwarr der Parteien.
Diese Überzeugung aber erhöht meine unbedingte Anhänglichkeit und den
heißesten Wunsch, nach Kräften zur Entwirrung und zur Förderung Ihrer
auf den inneren Frieden allein abzielenden Absichten beitragen zu können.
Genehmigen Eure Durchlaucht diese aus tiefstem Herzensgrunde hervor-
gehende Versicherung und zugleich die innigsten Wünsche zum Feste wie
für das kommende Jahr, in die ich auch die Frau Fürstin einschließe. Eurer
Durchlaucht stets treugesinnter G. Card. Kopp.“ Einige Wochen später
schrieb mir der Kardinal, er höre durch den Kardinalst kretär, daß Erz-
berger, der leider im Vatikan Verbindungen angeknüpft hätte, dort unwahre
Nachrichten über mich verbreite. Zur gleichen Zeit hatte Kopp an den ihm
befreundeten Monsignore Montel, den langjährigen deutschen Vertreter an
der Rota Romana, geschrieben: „An dem Verhalten des Zentrums habe auch
ich keine Freude. Ich mißbillige es sehr und beklage die Kurzsichtigkeit.
Dem Zentrum im Reichstage fehlt der Führer. Tatsächlich regieren unge-
schulte und unreife Kräfte, wie z. B. Herr Erzberger. Die Ursache dieses
Krachs muß schon ziemlich weit zurückliegen, denn sie scheint nicht allein
die unglückliche Abstimmung gewesen zu sein. Die Taktik des Zentrums
war schon seit den letzten Jahren eine unsichere und zum Teil provokato-
rische. Aller Klatsch gegen die Regierung wurde zusammengetragen und
breitgetreten und unter dem Vorgeben, für das Recht eintreten zu müssen,
auf der Tribüne des Reichstags in die Öffentlichkeit gezogen. Leider geht
dem Zentrum im ganzen zu sehr Vornehmheit und politischer Takt ab.“