Aufhebung
des Jesuiten-
Gesetzes
10 DIE JESUITEN
Ohren in den alten Traditionen drinsteckt, möge Ihnen die Stärke meiner
tiefen, freudigen Erregung beweisen.“ Der Dichter Ernst von Wildenbruch
schrieb mir: „Wie schon manchmal ist es auch diesmal Ihnen gegeben ge-
wesen, einem allgemeinen Empfinden überzeugenden Ausdruck zu ver-
leihen. Und wenn ich zu jedem Ihrer kraft- und geistvollen Worte Ja und
Amen sage, so geht für mich aus dem Gesamteindruck Ihrer Reden doch
noch eine höhere Befriedigung hervor, die Freude, daß wir Deutsche an
solcher Stelle einen Mann von so umfassendem Blick und zugleich von so
unbeirrbarer innerer Geschlossenheit besitzen.“ Ein anderer Dichter,
Adolf Wilbrandt, schrieb: „Lieber, verehrtester Freund. Herrlich! Ehe ich
an mein dramatisches Tagewerk gehe, muß ich Ihnen sagen, daß ich von
Ihren jüngsten Reichstagsreden geradezu entzückt bin. Hätt’ ich sie doch
selbst gehört! Den Grauschimmel Bebel haben Sie meisterhaft geritten!“
Und aus Hamburg telegraphierte mir der nüchterne, gescheite Albert
Ballin: „Ich bitte um die Erlaubnis, Euer Exzellenz es aussprechen zu
dürfen, wie sehr mich Ihre letzten Reden gegen Bebel begeistert haben.
Das war das rechte Wort zur rechten Zeit. Das Wort, auf welches die Nation
gewartet hatte und welches Euer Exzellenz Freunde und Verehrer erwerben
wird weit über des Vaterlandes Grenzen hinaus.“
Wenn ich nach Jahren an diese Debatten zurückdenke, so werde ich in
der Überzeugung bestärkt, daß die kaum zu bestreitende Dürre und Lange-
weile derzeitiger deutscher parlamentarischer Verhandlungen nicht zum
kleinsten-Teil auf die leidige Neigung unserer heutigen Parlamentarier zu
langen, seit lange vorbereiteten, mehr oder weniger vom Manuskript ab-
gelesenen Einzelvorträgen zurückzuführen ist. Solche Monologe ohne direktes
Eingehen auf Argumente des Gegners, ohne sofortige Replik auf Zwischen-
rufe können nie die Lebhaftigkeit und Frische, die Unmittelbarkeit und Wirk-
samkeit französischer Debatten erreichen, die eine wirkliche Auseinander-
setzung mit unmittelbarer und deshalb auch viel stärkerer Wirkung sind.
In jeder Reichstagssession wurde von seiten des Zentrums ein Antrag
auf Aufhebung des sogenannten Jesuitengesetzes, d. h. des Reichsgesetzes
vom 4. Juli 1872, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, oder wenig-
stens auf Modifikation dieses Gesetzes gestellt. Es handelte sich hierbei
zunächst nicht um den in $ l niedergelegten Grundgedanken des Gesetzes,
durch den die Tätigkeit des Jesuitenordens im Deutschen Reich verboten
wurde. Wohl aber sollte der $ 2 des Gesetzes aufgehoben werden, wonach
die Angehörigen des Ordens oder der ihm verwandten Orden oder ordens-
ähnlicher Kongregationen aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden
durften, wenn sie Ausländer waren. Waren sie Inländer, so konnte ihnen
der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen
werden. Ich war mit Ausnahme unserer Ostmark, wo wir uns gegenüber