Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

„HÖLLENSÖHNE“ 11 
der großpolnischen Agitation im Zustande der Notwehr befanden und wo 
es um Sein oder Nichtsein des Preußischen Staates und deutschen Volks- 
tums ging, kein Freund von Ausnahmegesetzen. Es erschien mir unbillig, 
daß die Angehörigen des Jesuitenordens die einzigen Deutschen sein sollten, 
denen das Recht genommen oder wenigstens beschränkt werden konnte, 
in der Heimat zu weilen. Seit mehreren Jahren hatten sowohl die Kon- 
servativen wie die große Mehrheit der Liberalen regelmäßig für den Antrag 
auf Aufhebung des $ 2 des Jesuitengesetzes gestimmt. Nachdem ich schon 
am 3. Februar 1903 auf eine Anfrage des Abgeordneten Spahn erwidert 
hatte, daß nach meiner Ansicht die konfessionellen Verhältnisse innerhalb 
des Deutschen Reichs es nicht länger notwendig erscheinen ließen, einzelne 
deutsche Staatsangehörige deshalb, weil sie der Gesellschaft Jesu ange- 
hörten, unter die Bestimmung eines Ausnahmegesetzes zu stellen, setzte 
ich am 8. März 1904 in einer Sitzung des Bundesrats die Aufhebung des 
$ 2 durch und erlangte am selben Tage die Unterschrift des Kaisers für den 
nunmehr vorliegenden übereinstimmenden Beschluß von Bundesrat und 
Reichstag. Die Unterschrift Seiner Majestät zu erreichen, war in diesem 
Falle nicht ganz leicht. Der Kaiser war wie viele Protestanten, übrigens auch 
nicht wenige Katholiken, gegen die Jesuiten sehr eingenommen. Wenn in 
einem Bericht von Söhnen des hl. Ignaz von Loyola die Rede war, pflegte 
er „Höllensöhne‘“ oder „Teufelsbraten“ an den Rand zu schreiben. 
Im Bundesrat widerstrebten namentlich Sachsen und die thüringi- 
schen Staaten. Der weise und weitblickende König Albert hatte immer der 
Tatsache Rechnung getragen, daß Sachsen die Wiege der Reformation 
war und daß das sächsische Volk in seiner überwältigenden Mehrheit an 
seiner evangelischen Konfession festhielt. Sein Bruder und Nachfolger, 
der König Georg, dessen Söhne und Enkel huldigten einer ultraklerikalen 
Weltanschauung, die sie auch nach außen gelegentlich zur Schau trugen 
und die jedermann kannte. Es machte deshalb keinen erhebenden Eindruck, 
als im ausdrücklichen Auftrag des Königs Georg der sächsische Kultus- 
minister in der Sächsischen Zweiten Kammer erklärte, daß nach einem 
vom Sächsischen Staatsministerium einstimmig gefaßten Beschluß die 
sächsischen Stimmen im Bundesrat gegen die Aufhebung des $ 2 abgegeben 
worden seien. Unter lebhaften Bravorufen der damals sehr loyalen 
Sächsischen Kammer fügte der Minister hinzu, daß dies Vorgehen der 
Minister die vollste Zustimmung des Königs Georg gefunden habe, was den 
tief empfundenen und aufrichtigen Dank des sächsischen Volkes verdiene, 
Das bedeutete natürlich einen aus rein partikularistisch-dynastischen 
Motiven hervorgehenden, nebenbei gesagt von wenig Mut und ebensowenig 
Aufrichtigkeit zeugenden Stoß in meinen Rücken. Es liegt eine gewisse 
Ironie darin, daß der Enkel des Königs Georg, der Kronprinz Georg von
	        
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