312 DER FREUND LECOMTE
lichen Gesandten in München niemals eingeladen worden wäre. Er, der
Kaiser, sei empört, daß Eulenburg Allerhöchst ihn dadurch in eine für
einen Monarchen unerhörte Situation gebracht hätte. Der in Rede stehende
französische Diplomat war ein gewisser Lecomte, der allerdings eine üble
Persönlichkeit war und von dem mir der bayrische Ministerpräsident Pode-
wils gesagt hatte, er hätte als Mitglied der französischen Mission in München
allgemein im Rufe perverser Neigungen gestanden und wäre deshalb sogar
polizeilich überwacht worden. Ich hatte wiederholt und ernstlich Eulen-
burg vor ihm warnen lassen. Er hatte trotzdem die allerdings grobe Takt-
losigkeit begangen, seinen Freund Lecomte gleichzeitig mit Seiner Majestät
einzuladen. Die Order Seiner Majestät an mich schloß: „Ich erwarte hier-
nach, daß Eulenburg sofort seine Pensionierung nachsucht. Sofern die
gegen ihn erhobenen Anschuldigungen wegen perverser Neigungen un-
wahr sind und sein Gewissen Mir gegenüber vollständig frei und klar ist,
sehe Ich einer unzweideutigen Erklärung von ihm hierüber entgegen,
worauf er gegen Harden vorzugehen hat. Andererseits erwarte ich, daß er
unter Rückgabe des Schwarzen Adlerordens und Vermeidung jeden Auf-
sehens alsbald das Land verläßt und sich ins Ausland begibt.‘ Den Anstoß
zu diesem Vorgehen des Kaisers hatte, wie ich aus der Umgebung Seiner
Majestät erfuhr, Fürst Max Fürstenberg gegeben, der an die Stelle von
Eulenburg als Favorit Seiner Majestät getreten war und seinen Vorgänger
haßte.
Ich ließ Eulenburg die Allerhöchste Willensäußerung durch seinen
Freund Varnbüler in möglichst schonender Weise übermitteln. Nach
Empfang der betreffenden Order schrieb mir Eulenburg: „‚Dieser Abschluß
ist eine abscheuliche Roheit. Äußeren Glanz zu verlieren, gibt mir ein
schönes Gefühl der Freiheit. Den langjährigen kaiserlichen Freund zu ver-
lieren, von dessen Treue ich sprechen konnte, war nicht die grausame Ent-
täuschung, die Du vielleicht in mir vermutet hast, denn ich kenne den See-
fahrer zu genau, der das Ölzeug stets anzieht, noch lange bevor es nötig ist.
Die Enttäuschung lag nur in der häßlichen Form, mich abzuschlachten.
Und doch bin ich objektiv genug, zu verstehen, daß ein Monarch bei der
widerlichen Wendung, die meine Sache dank der Kompagnie Holstein-
Harden nahm, so schnell als möglich einen unbequemen Freund los-
sein will. Für mich liegt darin nur die Gefahr, daß ich für den Kaiser jetzt
auch so schuldvoll, so schlecht als irgend möglich sein muß. In dieser
Hinsicht flehe ich um Deinen Freundschaftsschutz, an den ich fest glaube.
Nicht flehe ich für mich. O nein! Meine Frau, meine Kinder, die Du kennst
seit frühen Jahren, die Dir lieb waren. Nur um ihretwegen stehe treu neben
mir! Bei der Untersuchung habe ich keine Zeugen zu fürchten. Ich fühle
mich vollkommen unschuldig und kann abwarten, aber falsche Zeugen