Prozeß
gegen Brand
314 DER „SCHRIFTSTELLER“ BRAND
unzweideutige Erklärungen abgibt. Ich hoffe, daß er sich seine Situation
klarmacht und sich nicht verhängnisvollen Illusionen hingibt.‘“ Das traf
den Nagel auf den Kopf. Statt dessen suchte Eulenburg seine Rettung in
allerlei phantastischen Ausflüchten, mit besonderer Vorliebe in der Be-
hauptung, alle Angriffe gegen ihn wären auf die Jesuiten zurückzuführen,
die ihm seine in München betätigte antikatholische Weltanschauung nicht
verzeihen könnten. Übrigens haben auch die Frauen der anderen Ver-
irrten, die ähnlich wie Eulenburg damals scheiterten, die beiden Gräfinnen
Hohenau und die Gräfin Johannes Lynar, ihre Männer nicht im Stich
gelassen. Die letztgenannte, eine geborene Prinzessin Solms, Schwester
der Großherzogin von Hessen-Darmstadt, begleitete ihren Gatten, der,
weil er sich an Untergebenen vergangen hatte, zu einer längeren Freiheits-
strafe verurteilt worden war, nach Leipzig, wo er seine Strafe verbüßte,
um ihm näher zu sein. Solche Treue war der einzige Lichtblick in diesen
an und für sich so traurigen und widerwärtigen Vorgängen. „Das Ewig-
Weibliche zieht uns hinan.“‘ Die Söhne des Fürsten Eulenburg folgten dem
Vorbild der Mutter. Der älteste stand treu zu seinen Eltern, ich habe über
ihn nur Gutes gehört. Der zweite, Graf Sigwart Eulenburg, musikalisch sehr
begabt, verheiratet mit der trefilichen Kammersängerin Helene Staege-
mann, starb im Weltkrieg auf dem östlichen Kriegsschauplatz den Helden-
tod. Der jüngste Sohn des Grafen Fritz Hohenau fiel als Flieger im letzten
Jahre des Weltkriegs im Luftkampf bei Peronne, der zweite Sohn des
Grafen Johannes Lynar als Gardeulan in Galizien. Beide haben die Ver-
fehlungen ihrer Väter ritterlich gesühnt.
Als ich in meiner Reichstagsrede vom 28. November 1907 die Behaup-
tung des Abgeordneten Spahn zurückwies, daß ich den Kaiser früher über
die Verfehlungen einiger seiner Freunde hätte informieren müssen, hatte
ich gesagt, daß etwas Tatsächliches oder auch nur Greifbares erst im Früh-
jahr 1907 zu meiner Kenntnis gekommen wäre. Ein verantwortlicher
Minister könne so schwerwiegende Anschuldigungen nur erheben, wenn er
in der Lage sei, Beweise vorzubringen. Ich fügte hinzu: „Was wird in unserer
Zeit nicht alles geklatscht und gelogen. Bin ich nicht selbst der Gegenstand
unwürdiger Verdächtigungen, sinnloser Verleumdungen gewesen?“ Das
bezog sich auf den Prozeß, den ich gegen den „Schriftsteller“ Adolf Brand
angestrengt hatte. Während ich in Flottbek weilte, war mir gemeldet
worden, daß der Genannte, der eine „Gesellschaft der Eigenen“ ins Leben
gerufen hatte, welche die „Berechtigung‘‘ der Männerliebe verteidigte,
mir sittliche Verfehlungen vorgeworfen habe. Ob es mir peinlich wäre,
einen Prozeß gegen ihn zu führen ? Ich erwiderte, daß die Klage sofort er-
hoben werden solle. Der Prozeß wurde in Moabit verhandelt. Zu der Ver-
handlung hatte sich Philipp Eulenburg eingefunden, offenbar in der Hoff-