ISWOLSKI DURCH EDUARD VII. GEWONNEN 325
Engländern natürlich sofort als solche erkannt worden waren. Die englischen
Minister, insbesondere Asquith und Grey, hatten bei einer Interpellation im
Unterhaus die ganze peinliche Angelegenheit mit Takt und dem sichtlichen
Bestreben behandelt, die Gemüter zu beruhigen. Der Botschafter in Lon-
don, Graf Metternich, meldete gleichzeitig: „Der englischen konstitu-
tionellen Auffassung läuft es zuwider, daß ein fremder Souverän sich in
direkten amtlichen Verkehr mit einem englischen Minister setzt. Ich wurde
nicht amtlich, aber von ministerieller Seite auf den sehr unangenehmen
Eindruck hingewiesen, den der Brief unseres allergnädigsten Herrn an
Lord Tweedmouth hier hervorgerufen hat. Ich wurde gefragt, wie es wohl
Seine Majestät der Kaiser und die kaiserliche Regierung aufnehmen würden,
wenn König Eduard sich mit Umgehung seiner verantwortlichen
Organe in Flottenfragen direkt an den Staatssekretär des Reichsmarine-
amts in Berlin wendete. Ich bin mir wohl bewußt, daß es eine höchst un-
dankbare Aufgabe ist, Dinge zu schreiben, die sich nicht angenehm lesen.
Wenn man aber in einer verantwortlichen Stellung ist, so muß man auch
dazu den Mut finden.“ Es ist verständlich, daß mich eine derartige, die
Grenze des Zulässigen bedenklich überschreitende Eigenmächtigkeit des
Kaisers nicht nur verstimmen, sondern auch mit tiefer Sorge erfüllen und
mich in dem Entschluß bestärken mußte, im Interesse des Landes die
nächste sich bietende Gelegenheit zu einer energischen Korrektur der das
Woll des Reichs gefährdenden und schädigenden kaiserlichen Übergriffe
pflichtgemäß wahrzunehmen.
Die Begegnung in Reval, die am 9. und 10. Juni vor sich gegangen war,
hatte König Eduard die Möglichkeit geboten, mit seiner großen Kunst der
Menschenbehandlung und unterstützt von seiner Nichte, der Kaiserin
Alexandra Feodorowna von Rußland, die sehr englisch und, obwohl die
Tochter eines uralten deutschen Fürstenhauses, antideutsch fühlte, den
russischen Kaiser für sich einzunehmen.
}« Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der König den eitlen und schon
deshalb beeinflußbaren Iswolski für ein Programm gewonnen hatte, das
auf eine Lösung der mazedonischen Frage im Sinne einer weitgehenden
Beschneidung der Macht des Sultans herauskam. Die Unruhe, um nicht zu
sagen die Furcht, die dieser russisch-englische Aktionsplan in einer großen
Balkanfrage in Österreich hervorrief, ließ es in erster Linie geboten er-
scheinen, den Österreichern Mut zu machen. Es lag die Gefahr vor, daß die
Doppelmonarchie, wenn zu sehr eingeschüchtert, die Nerven verlor und
Rußland ins Maul flog wie der eingeschüchterte Kolibri der drohenden
Klapperschlange. Die Kunst unserer Politik mußte darin bestehen, daß
wir Österreich an unserer Seite hielten und für den bei geschickter Politik
durchaus nicht unvermeidlichen, aber natürlich immer in Rechnung zu
Zirkular-
Erlaß Bülows