„VIVE L’EMPEREUR!*“ 19
siegte ein französischer Fahrer. Als der Kaiser ihm den von Ihrer Majestät
ausgesetzten Ehrenpreis überreichte, riefen einige der anwesenden Fran-
zosen: „Vive l’Empereur!“ Der Kaiser war von dieser Huldigung so be-
geistert, daß er stante pede an Präsident Loubet drahtete: „Ich beeile mich,
Ihnen zu dem Siege Glück zu wünschen, den die französische Industrie
soeben davongetragen hat und dessen Zeuge ich zu meiner Freude gewesen
bin. Der dem Sieger vom Publikum bereitete Empfang beweist, wie sehr
ein durch Intelligenz und mutiges Streben errungener Sieg dazu dient,
Gefühle frei von Rivalität zu erzeugen.“ Der Kaiser hatte seinem Enthusias-
mus ursprünglich weit mehr die Zügel schießen lassen wollen. Es gelang
meinem Freunde, dem Kabinettsrat von dem Knescbeck, der in meiner
Abwesenheit mit der Redaktion der Depesche betraut wurde, eine verstän-
dige Fassung durchzusetzen. Präsident Loubet antwortete mit Würde und
Vorsicht. Mir telegraphierte der Kaiser: „Gordon-Bennet-Rennen groß-
artig verlaufen! Ungeheure Beteiligung namentlich aus Frankreich.
Franzose gewann. Französischer Präsident des Pariser Autoklubs und Vor-
standsmitglieder wurden mir vorgestellt und brachten mir proprio motu
ein Hurra namens Frankreichs, in welches die vielen Hunderte von Fran-
zosen und Französinnen begeistert einstimmten. Man hörte vielfach: ‚Vive
P’Imp£ratrice* und ‚Vive l’Empereur!* Haltung der Franzosen tadellos,
Tribünen im Stil eines römischen Zirkus, von Jacobi, einfach großartig!
Allgemeine Zufriedenheit und Begeisterung, ganz hervorragende Arrange-
ments. Behörden haben brillant gearbeitet. Ich glaube, beide Länder sind
sich einen Schritt nähergekommen.“ Der kleine Vorfall zeigte wieder, wie
sehr Wilbelm II. dazu neigte, politisch ziemlich gleichgültigen Episoden
eine übertriebene Bedeutung beizulegen. Diesmal war es das „Vive l’Em-
pereur!“, das den Kaiser elektrisierte. Schon Bismarck hatte anläßlich
des von Wilhelm II. bald nach seinem Regierungsantritt geförderten Be-
suchs seiner Mutter in Paris, der bekanntlich zu einem Fiasko wurde,
bitter geäußert: „Unserem Allergnädigsten Herrn genügt das preußische
Hurra nicht mehr, er sehnt sich nach dem französischen Vive l’Empereur.“
Der naive Subjektivismus Wilhelms II., seine, um ein modernes Schlagwort
zu gebrauchen, egozentrische Veranlagung zeigte sich auch gegenüber dem
Automobil. Als die ersten Automobile Unter den Linden auftauchten, der
Kaiser selbst sie aber noch nicht benutzte, ärgerte er sich über die Straßen-
fahrzeuge, die seine Pferde scheu machten. Er verlangte ihre polizeiliche
Überwachung und Einschränkung und meinte vor mir: „Ich möchte ara
liebsten jedem Chauffeur mit Schrot in den - - - schießen !“ Als er dann selbst
fuhr und seine eigenen Chauffeure lustig ihr Tatütata erschallen ließen,
wurde er ein feuriger Lobredner und Anhänger des Automobilsports und
betrachtete jede Kritik seiner Auswüchse fast als persönliche Beleidigung.
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