Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DIE HULDIGUNG FÜR ZEPPELIN 373 
Meine Rede vom 10. November wurde von der rechtsstehenden deut- 
schen Presse mit Beifall aufgenommen. Die sozialdemokratische Presse 
warf dem Reichstag vor, daß er keine ausreichenden Garantien zur Beseiti- 
gung des persönlichen Regiments gefordert und sich von Bülow habe hinter 
das Licht führen lassen. Das leitende Wiener Blatt, „Die Neue Freie Presse“, 
schrieb über die Sitzung des Deutschen Reichstags: „Fürst Bülow, der nie- 
mals einen sympathischeren Eindruck gemacht hat als in dem Augenblick, 
da er in einer der schwierigsten Situationen war, in der sich ein Staatsmann 
überhaupt befinden kann, hat nicht als Höfling, sondern als ein für die 
Geschäfte verantwortlicher Staatsmann gesprochen.“ Der Pariser „Figaro“ 
meinte: „Le discours du Prince de Bülow semblera un peu €trange dans 
sa forme brutale a peine voilee par quelques pr&cautions de langage. 
Mais il faut reconnaitre qu’il correspondait a une situation non moins 
etrange et a peu pres sans precedent. Le ministre n’avait qu’un moyen d’en 
sortir: la franchise entitre. Et ilen a heureusement us£.“ Die ganze englische 
Presse betrachtete meine Rede als Zeichen der freundschaftl'chen Gesin- 
nung der deutschen Regierung für England und sprach die Hoffnung aus, 
daß das deutsche Volk diese Gesinnung teile. Die freimütige Kritik kaiser- 
licher Mißgriffe nicht nur in der deutschen Presse, sondern auch im Deut- 
schen Reichstag sei ein erfreuliches Zeichen für verfassungsmäßige Zu- 
stände in Deutschland und die Unabhängigkeit des deutschen Parlaments. 
Kaiser Wilhelm II. ließ zunächst gar nichts von sich hören. Von seiner 
Umgebung hörte ich, daß seine Stimmung einerseits stark erregt, anderer- 
seits recht beklommen wäre. Seine Niedergeschlagenheit wurde dadurch 
erhöht, daß die dem Grafen Zeppelin dargebrachte kaiserliche Huldigung 
durch ihre Übertreibungen die von Seiner Majestät erhoffte Wirkung auf 
das deutsche Volk nicht gehabt hatte. Die Mehrzahl der Deutschen fand es 
an und für sich ganz erfreulich, daß der Kaiser sich zu einer gerechten 
Würdigung des unermüdlichen, unerschrockenen, nie verzagenden Bahn- 
brechers der Luftschiffahrt durchgerungen hatte. Aber dieselben biederen, 
verständig-nüchternen Deutschen schüttelten den Kopf, wenn sie in der 
auf Allerhöchsten Befehl sofort durch Wolff verbreiteten Ansprache an 
Zeppelin lasen: „Es dürfte wobl nicht zu viel gesagt sein, daß wir heute 
einen der größten Momente in der menschlichen Kultur erlebt haben. 
Ich danke Gott mit allen Deutschen, daß er unser Volk für würdig erachtete, 
Sie den Unseren zu nennen.“ Als diese wieder mindestens exzentrische 
Rede am 11. November in Berlin bekannt wurde, machte sie im Reichstag 
keinen guten Eindruck. Auch im Lande wurde sie als neuer Beweis man- 
gelnden inneren Gleichgewichts aufgefaßt. Inzwischen fuhr die nicht- 
deutsche Presse fort, sich über die Persönlichkeit, das Auftreten und die 
Regierungsweise des Deutschen Kaisers mit einer bis dahin noch nicht 
Fortdauer der 
Kritik in der 
Auslands- 
Presse
	        
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