Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DIE ANGEREGTE ENTREVUE 23 
Gesicht des Ostasiaten zu der deutschen Botschafterin, der Gräfin Alvens- 
leben: „Der arme Zar weiß nicht, daß, wäbrend er hier mit mir spricht, 
sein Geschwader in Port Arthur von uns versenkt wird.“ Auch nachdem das 
Seegefecht von Tschemulpo tatsächlich Korea in japanischen Besitz ge- 
bracht hatte, erwiderte Kaiser Nikolaus dem Hofmarschall Benckendorff 
auf dessen Frage, ob im Hinblick auf den Krieg mit Japan die bevorstehen- 
den Hofbälle nicht abgesagt werden sollten: „Es wird ja gar nicht zu cinem 
erostlichen Krieg kommen. Les Japonais n’oseront pas.“ Eine russische 
Freundin sagte mir später darüber: „Les imperiaux dans tous les pays ne 
veulent jamais croire et admettre ce qui ne leur convient pas.“ Sie hätte 
auch den lateinischen Spruch zitieren können: „Quos deus perdere vult, 
dementat prius.‘* 
Wenn der Mai gekommen war und die Bäume ausschlugen, pflegte sich 
in der beweglichen Brust des Kaisers Tatendrang zu regen. Nicht immer zu 
seinem Heil. Im Frühjahr 1904 überraschte er mich mit der Mitteilung, 
daß sein Oheim König Eduard sich zu einem Besuch in Kiel angesagt hätte. 
Ich hatte sogleich Zweifel daran, ob dieser Besuch wirklich aus der Initiative 
des Königs hervorgegangen wäre. Ich hörte denn auch später, daß der Kaiser 
durch seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, dem König den Wunsch eines 
Zusammentreffens in Kiel hatte nahelegen lassen. Der Gedanke, den eng- 
lischen Monarchen gerade in die Werkstatt unserer Flotte, in unseren 
schönsten Hafen zu führen und ihm die raschen Fortschritte unserer Marine 
ad oculos zu demonstrieren, behagte mir nicht. Ich hätte lieber einen Be- 
such in Berlin oder ein Zusammensein in Wilhelmsböhe mit seiner prächti- 
gen Umgebung oder in Homburg v. d. Höhe mit Automobilausflügen im 
Taunus und hübschen Fahrten auf dem Rhein gesehen. Während ich mir 
diese Erwägungen durch den Kopf gehen ließ, trat Tirpitz bei mir ein, dem 
der Kaiser den ihm angeblich angesagten englischen Besuch in Kiel gleich- 
falls telephonisch mitgeteilt hatte. Die Entrevue in Kiel mißfiel ihm fast 
noch mehr als mir. Er meinte, der Kaiser würde bei seiner kindlichen Eitel- 
keit es nicht lassen können, sich vor den Engländern mit der raschen Ent- 
wicklung seiner Flotte und den von ihm auf diesem Gebiet bereits erzielten 
Erfolgen zu brüsten. Das Renommieren wäre ihm nun einmal nicht abzu- 
gewöhnen. Es handle sich also nur noch darum, ihm keine zu bedenkliche 
Gelegenheit zum Prahlen zu geben. Jedenfalls müßten wir verhindern, daß 
der Kaiser die ganze Flotte in Kiel zusammenzöge. Je weniger Schiffe er 
dort den Engländern vorführe, um so besser. Wir beschlossen, dem Kaiser 
gemeinsam Vorstellungen zu machen, und fuhren zu diesem Zweck sogleich 
von Berlin nach dem Neuen Palais. 
Als ich dem Kaiser sagte, daß ich eine Begegnung in Homburg, Wil- 
helmshöhe und auch in Berlin lieber geschen hätte als in unserem größten 
Eduard VII. 
kommt nuch 
Kiel
	        
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