Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DIE FRIEDLICHE LÖSUNG 401 
habe, diesen Schritt zu tun, wenn nicht zu beschleunigen. Ich sagte dem 
russischen Botschafter, fortiter in re, suavissime in modo, ich wäre gern zur 
freundschaftlichen Vermittlung bereit, um nicht nur Iswolski aus der 
Sackgasse herauszuhelfen, in die er sich verrannt hätte, sondern auch um 
der Welt den Frieden zu erhalten und ganz besonders im Interesse der 
weiteren Aufrechterhaltung der traditionellen Freundschaft zwischen 
Deutschland und Rußland. Es sei doch gar zu töricht, aus rein formellen 
Erwägungen einer Annexion entgegenzutreten, die an dem Status quo 
auf dem Balkan tatsächlich nichts ändere und schr wohl zwischen den 
direkt Beteiligten in friedlicher Weise zum Austrag gebracht werden könne. 
Es würde ein Verbrechen gegen den gesunden Menschenverstand sein, 
das friedensbedürftige Europa in einen Krieg zu stürzen, von dem nur eins 
sicher wäre, nämlich, daß er ungeheure Opfer kosten und Elend und Ruinen 
hinterlassen würde. Die Voraussetzung für ein Eingreifen unsererseits 
wäre aber natürlich, daß Rußland die Serben an die Leine nähme, wozu cs 
Mittel und Wege hätte. Insofern uns Iswolski in dieser Richtung keine 
bündige Zusage geben könne, bliebe uns zu unserem lebhaften Bedauern 
kaum etwas anderes übrig, als es unserem österreich-ungarischen Bundes- 
genossen zu überlassen, in der ihm geeignet erscheinenden Weise vorzu- 
gehen. Wäre aber Rußland ernstlich gewillt, Serbien zur Ruhe zu bringen, 
sei ich gern bereit, mit Iswolski in einen freundschaftlichen Gedankenaus- 
tausch darüber einzutreten, wie ein energischer Druck Rußlands in Belgrad 
ermöglicht werden könnte, obne daß er mit seiner bisherigen Politik in 
Widerspruch gerate. Bei gutem Willen auf beiden Seiten und einiger Ge- 
schicklichkeit würde sich wohl eine „combinazione“* finden lassen, um 
mich des italienischen Terminus technicus zu bedienen. Wenn Rußland es 
übernähme, von sich aus auf Serbien einzuwirken, würde das Verdienst des 
Ausgleichs dem Petersburger Kabinett zufallen. Wenn die Mächte der 
Annexion Bosniens durch amtliche Erklärungen zustimmten, brauche eine 
europäische Konferenz überhaupt nicht stattzufinden. Auf diese Art lasse 
sich der viel zu sehr aufgebauschte Streitfall am besten erledigen. Aus 
naheliegenden Gründen bat ich mir in St. Petersburg nur aus, daß Iswolski 
dem englischen Botschafter nicht früher eine Mitteilung über meine Vor- 
schläge machen dürfe, bevor er selbst eine Entscheidung getroffen habe. Es 
war ein gutes Vorzeichen für eine friedliche Lösung, daß Iswolski vor Herrn 
Nicolson tatsächlich Schweigen bewahrte. 
Zehn Tage nach meiner Unterredung mit dem Grafen Osten-Sacken 
traf die vorbehaltlose Zustimmung Rußlands zur Annexion von Bosnien 
und der Herzegowina in Berlin und in Wien ein. Erst dann wurde Nicolson 
in Kenntnis gesetzt, der seinem Ärger und seiner Enttäuschung dadurch 
Luft machte, daß er die Lüge verbreitete, Deutschland habe durch 
28 Blow UI 
Rußland 
stimmt vor- 
behalılos zu
	        
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