406 DER STERBENDE AEHRENTHAL
Aehrenthal wurde infolgedessen von der unter dem Einfluß des österreichi-
schen Generalstabs steheuden Wiener Presse mit einer Gehässigkeit ango-
grillen, welche die letzten Lebenstage des inzwischen schwer erkrankten
Ministers vergiftete. Namentlich die Witzblätter ergingen sich in den ge-
meinsten Beschimpfungen und Verdächtigungen gegen den sterbenden
Maun. Er blieb aber fest. Meine Haltung in der bosnischen Frage hatte von
Anfang an Verständnis bei Aehrenthal gefunden. Als im Reichstag der
bayrische Zentrumsabgeordnete Speck, dessen Horizont sich nie über den
Eichstätts ausgedehnt hat, mir mit erhobener Stimme und pathetischer
Entrüstung den Vorwurf unzuläuglicher Unterstützung des österreichi-
schen Bundesgenossen machte, schrieb Baron Achrenthal an den Bot-
schalter von Szögyenyi: „Die Verkehrtheit der gegen den Reichskanzler
aus dem Grunde erhobenen Angriffe, weil er unserer Politik nicht genügen-
den Rückhalt und Unterstützung gewährt habe, hat Fürst Büluw sehr
treffend als ein allzu durchsichtiges Manöver charakterisiert. Ein Verlassen
der Linie, welche Fürst Bülow sich vorgezeichnet, wäre, wie er klar er-
kannte, nach zwei Seiten hin inopportun gewesen. Es hätte nämlich hier
ein liervortreien der deutschen Politik aus ihrer freundschaftlichen und
zurückhaltenden Reserve als eine gewisse Bevormundung angesehen werden
und schlechtes Blut erzeugen können, während andererseits durch eine
solche veränderte Haltung Deutschlands unsere direkten Verkandlungen
mit der Türkei gewiß nicht gefördert worden wären. Die prinzipielle An-
nahme unserer Vorschläge in der bosnischen Frage seitens des Großwesirs
und das dem letzteren durch das türkische Parlament ausgesprochene
Vertrauensvotum sind schlagende Beweise dafür, daß die Methode des
Fürsten Bülow mit Bezug auf die uns zu gewährende Unterstützung in
jeder Hinsicht die richtige war.“