Immediat-
vortrag über
die große
Konferenz
XXIX. KAPITEL
Der Kaiser zu dieser Konferenz » Wandlung im Verhältnis Wilhelms II. zu Bülow « Er-
schwerung seiner Geschäftsführung » Neue Kabinettschefs » Schwierigkeiten im Aus-
wärtigen Amt + Geleimrat Hammann »- Unterredung zwischen Kaiser und Kanzler - Die
Majestäten zum Diner im Kanzler-Palais « Wilhelm II. wieder in bester Laune
ie Konferenz vom 3. Juni 1909 hat mir einen dauernden Eindruck
hinterlassen. Graf Paul Metternich, sehr ruhig, fast phlegmatisch, aber
klar, nüchtern, ganz Matter-of-fact-Mensch. Er wußte, daß er, lange bei
Seiner Majestät gut angeschrieben, durch seinen Widerspruch gegen die
allmählich über ihre Ufer tretende Flottenpolitik des hohen Herrn sich
dessen Gunst verscherzte. Aber er stellte seine Überzeugung über sein Amt.
Tirpitz, innerlich leidenschaftlich bewegt, nach außen kalt, bisweilen ver-
bissen, voll brennenden Ehrgeizes, voll glühender Vaterlandsliebe, voll
Vertrauen auf sein Werk, auf die Kraft des deutschen Volks, groß auch in
seinen Irrtümern, aber einseitig. Die beiden Staatssekretare des Innern
und des Äußern, Bethmann Hollweg und Schön, gleichmäßig bestrebt,
weder bei Seiner Majestät anzustoßen noch auch beim Reichskanzler, von
dem man nicht wissen könne, ob er nicht schließlich duch im Amte bleiben
würde. Par nobile fratrum, aber in dem sarkastischen Sinne, in dem Horaz
diese Wendung geprägt hat. Moltke, wohlmeinend in seinen Gedankengän-
gen, verständig und klar, leider nur kein Maun der Tat. Der Chef des Marine-
kabinetts von Müller, damals noch ein Anhänger von Tirpitz, dessen per-
fider Gegner er werden sollte, sobald sich die kaiserliche Gnadensonne von
dem Erbauer der Flotte abwandte. Ich hielt es für meine Pflicht, Seiner
Majestät über den Verlauf der Konferenz vom 3. Juni und über die Gründe,
welche die Einberufung dieser Konferenz und meine Haltung in der
Besprechung bestimmt hatten, auch noch mündliche Erläuterungen zu
geben. Der von mir erbetene Immediatvortrag wurde mir erst nach einer
Woche, am 11. Juni gewährt. Über seinen Verlauf nahm ich die nach-
stehende Notiz zu den Akten: „Seine Majestät erklärte mir auf meine heu-
tigen Vorstellungen über die von englischer Seite infolge der englischen Be-
sorgnisse vor unseren Schiflsbauten drohenden Gefahren: Er könne nicht an
eine solche Gefahr glauben. Die Engländer würden uns allein nie angreifen.