Kaiserlicher
Toast im
Jachtklub
30 DER TEE-NABOB LIPTON
Koburger, von mütterlicher Welfe, die Franzosen sympathischer fand als
uns Deutsche und daß er seine innere Abneigung gegen das Bismarcksche,
das starke und mächtige Deutschland während des Deutsch-Dänischen, des
Preußisch-Österreichischen und namentlich des Deutsch-Französischen
Krieges offen zur Schau trug. Ich wiederhole, daß König Eduard seinem
Neffen gern bei passender Gelegenheit ein wenig auf die Finger klopfte.
Krieg mit uns wollte er nicht. Zwischen Onkel und Neffen hätten sich auch
allmählich manche Ecken abgeschliffen, wenn der Kaiser nicht immer
wieder seinen Oheim durch seinen vielleicht größten Fehler, seine Takt-
losigkeit, verärgert hätte. Ich habe schon gesagt, daß eine Böte noire des
Königs der verschuldete, tief verschuldete und liederliche Lord Lonsdale
war. Warum sich gerade Kaiser Wilhelm dieses mauvais sujet als Spezial-
freund ausgesucht hatte, verstand niemand in England und noch weniger
in Deutschland. Die von deutscher Seite erfolgte Einladung des Earl of
Lonsdale nach Kiel verstimmte von vornherein den König von England.
Es war mir aber nicht möglich gewesen, die Einladung des edlen Lords nach
Kiel zu verhindern. Das Amt des Reichskanzlers, wenn es gewissenhaft
aufgefaßt und ausgeübt wurde, nahm die Arbeitskraft eines guten Arbeiters
voll in Anspruch. Aber die richtige Behandlung des Kaisers, die im Inter-
esse des Landes notwendige ständige Fühlung mit ibm, die Pflicht, seine
Entgleisungen zu redressieren oder, noch besser, solchen vorzubeugen,
erforderte mindestens ebensoviel Zeit und Kraft. König Eduard war durch
die Anwesenheit des ihm unausstehlichen Lonsdale in Kiel arg verschnupft.
Er wollte nun wenigstens, daß sein Spezialfreund, der große Teemagnat
Sir EdwardLipton, den er nach Kiel mitgebracht hatte, vom Kaiser gnädig
bebandelt würde. Das war nicht zu erreichen. Der Kaiser behauptete, daß
sein Onkel den steinreichen Lipton, der ganz England mit seinem Ceylon-
Tee versorgte, um Millionen angepumpt hätte; ein so unwürdiges Verhält-
nis könne er nicht fördern. Verständigerweise hätte es natürlich dem Kaiser
ganz gleichgültig sein können, worauf die Freundschaft zwischen dem
König und dem gar nicht dummen noch uninteressanten Lipton sich grün-
dete. Der Kaiser hätte, wenn er weltklug gewesen wäre, durch einige kleine
Aufmerksamkeiten für den Tee-Nabob seinem Onkel eine große Freude
bereiten und den von ihm im übrigen so stürmisch gefeierten Beberrscher
des Weltreichs besser für sich stimmen können. „Pour @tre aime& il faut ötre
aimable“, pflegte Marco Minghetti zu sagen.
Wenn die am 25. Juni ausgewechselten Reden verständig waren, so hielt
Wilhelm II. zwei Tage später im Kaiserlichen Jachtklub eine mehr naive
als staatskluge, aber für sein innerstes Wesen überaus bezeichnende An-
sprache. Er feierte zunächst den König als den Admiral der Royal-Yacht-
Squadron, dem England die Entwicklung und den Aufschwung seines