448 FROBEN UND SEIN HERR
Ich möchte endlich noch eine Äußerung des Kaisers erwähnen, die ich
seinerzeit absichtlich nicht in die Registratur über meinen Immediat-
vortrag vom 11. März 1909 aufgenommen habe, die ich aber nachträglich
wiedergeben möchte, weil sie überaus charakteristisch ist für die Mischung
von naiver Selbstsucht und sentimentaler Romantik, die Wilhelm II.
eigen war. Im Laufe unseres Gesprächs ließ der Kaiser die Äußerung fallen:
„In der Reichstagsdebatte vom 10. November würde Froben anders
gesprochen haben als Sie.‘ Ich frug in ernstem Ton, ob der Kaiser damit
sagen wolle, daß ich mich scheuen würde, für den König mein Leben einzu-
setzen. Mit herzlicher Betonung entgegnete der Kaiser, daß ihm ein solcher
Gedanke völlig fernliege und immer ferngelegen habe. „Ich meinte nur dies.
Wenn der Stallmeister Froben, der sich bei Fehrbellin auf den Schecken des
Großen Kurfürsten setzte, um die feindliche Kugel von seinem Herm
abzulenken, als Reichskanzler vor dem Reichstag gestanden hätte, würde
er wohl erklärt haben, er hätte dem Kaiser geraten und anempfoblen, in
England so zu reden und zu sprechen, wie der Kaiser dies getan habe.“
Ich erwiderte: „Ich bitte, ganz offen sein zu dürfen. Als die Bombe des
‚Daily-Telegraph‘-Artikels platzte, schärfte ich meinen Untergebenen zwei
Gesichtspunkte ein: erstens, über den ganzen Vorfall nur die Wahrheit zu
sagen, nichts als die Wahrheit.‘‘ (Der Kaiser zuckte die Achseln.) „Doch,
Eure Majestät! In einer so ernsten Krisis durften wir das Land nicht an-
schwindeln. Zweitens gab ich die Weisung, alles zu tun,um die Krone aus
der Feuerlinie zu bringen, um die Krone zu decken, um sie durchzubringen.“
Der Kaiser: „Na also!“ Ich: „Ich habe Eurer Majestät schon wiederholt
gesagt, daß der ‚Daily-Telegraph‘-Artikel vier besonders bedenkliche Punkte
enthielt: die Behauptung, daß Eure Majestät ungefähr der einzige England
freundlich gesinnte Deutsche wären. Diese Behauptung stand im Wider-
spruch nicht nur mit der Wirklichkeit, sondern auch mit allem, was ich seit
Jahren im Reichstag, in meinen Gesprächen mit englischen Staatsmännern,
in Interviews gesagt hatte. Eure Majestät hatten ferner in Ihren Unter-
redungen mit Engländern erklärt, Sie bauten Ihre Flotte gegen Japan.
Wie sollte ich Eurer Majestät zu einer solchen Behauptung geraten haben,
wo ich, wie sehr viele Leute wissen, seit meinem Amtsantritt, das heißt seit
bald zwölf Jahren, Ihnen ständig empfohlen habe, Japan nicht unnötig
zu kränken, zu reizen und vor den Kopf zu stoßen! Weiter hatten Eure
Majestät den Engländern versichert, Sie hätten England davor gerettet,
durch Rußland und Frankreich bis in den Staub gedemütigt zu werden.
Nun habe ich Eure Majestät immer gebeten, nicht mit dem A über den B
und dann mit dem B über den A zu räsonieren, denn A und B könnten sich
einmal begegnen und sich gegenseitig Konfidenzen machen, und das würde
zur Folge haben, daß A sowohl wie B jedes Vertrauen zu Eurer Majestät