„MEIN LIEBER WILLY“ 3l
prächtigen Sports verdanke. Er erinnerte dann daran, daß er in England
seine Lehrzeit als Seemann absolviert habe, und sagte wörtlich: „An der
Hand gütiger Tanten und freundlicher Admirale durfte Ich als kleiner Junge
Portsmouth und Plymouth besuchen und in diesen beiden herrlichen Häfen
die stolzen englischen Schiffe bewundern. Da entstand in Mir der Wunsch,
auch solche Schifle zu bauen, und der Plan, auch einmal eine so schöne
Flotte wie die englische zu besitzen.‘ Während der Kaiser so sprach,
glänzten ehrliche Tränen in seinem Auge. Er war gerührt über sich selbst.
Als der Aufforderung des Kaisers, „nach echter Seglerart‘‘ drei Hurras
auf den englischen König auszubringen, mit „Hipphipphurra !““ Genüge ge-
leistet worden war, antwortete der König. Seine Gabe, sich in jede Situation
zu finden, und seine weltmännische Sicherheit mußte ich wieder bewundern.
Seine Antwort war eine Mischung von gutmütiger Ironie und freundlichem
Dank für den ihm im Jachtklub bereiteten Empfang. „‚Du bist, mein lieber
Willy“, führte er in deutscher Sprache aus, „für mich immer so sehr nett und
so überaus freundlich gewesen, daß es mir wirklich schwerfällt, dir für alle
deine Liebenswürdigkeiten so zu danken, wie dies mein Herz wünscht.
Ich bin stolz, heute Mitglied dieses Klubs geworden zu sein. Ich danke
tausendmal für alle deine guten Wünsche, ich trinke auf deine Gesundheit
als Admiral des Kaiscrlichen Jacht-Klubs.“ Ich hatte, während der Kaiser
seinen Toast ausbrachte, dem Vertreter von Wolils Telegraphenbüro ver-
boten, diesen Trinkspruch nach Berlin zu drahten, bevor ich ihn korrigiert
hätte. Sobald ich das Stenogramm erhalten hatte, entwarf ich, wie schon
öfters bei ähnlichen Anlässen, eine neue, freundliche, aber nüchterne
Kaiserrede, die ich durch Wolff verbreiten ließ. Als der Kaiser sie später in
der „Kieler Zeitung‘ las, meinte er obne Zorn, aber in elegischem Ton:
„Sie haben mir ja wieder eine ganz andere Rede gemacht! Gerade das
Schönste haben Sie fortgelassen.‘“ Ich erwiderte ruhig und ernst: „Eure
Majestät können mir glauben, daß es so besser für Sie und für uns ist. Wenn
Sie unsere große, nicht ungefährliche, jedenfalls arbeits- und kostenreiche
Flottenaktion in so sentimentaler Weise als Ausfluß persönlicher Neigungen
und Jugenderinnerungen hinstellen, wird es nicht leicht sein, vom Reichs-
tag immer weitere Millionen für die Marine zu erhalten.“ Der Kaiser
brummte: „Ach, der verfluchte Reichstag!“ Aber dabei hatte es sein Be-
wenden.
Am nächsten Tag fuhr der König nach Hamburg. Der Besuch unserer
größten Handelsstadt verlief ausgezeichnet. Es war sicherlich der Glanz-
punkt der ganzen Begegnung. Die Hamburger Art gefiel dem König. Bei
dem Essen, das die Stadt ihm gab, war er in der allerbesten Stimmung,
freier und unbefangener als unter den Uniformen in Kiel. In der kurzen
Ansprache, die er hielt, erklärte er, daß, wenn er in sein Land zurückkehre,
Eduard VI.
in Hamburg