486 WARNUNG AN DIE KONSERVATIVEN
Junker, die preußische Macht aufgerichtet hätten und mit der preußischen
Macht das Deutsche Reich. Ich wisse wohl, was die Elemente, die das Rück-
grat der Konservativen Partei bildeten, während Jahrhunderten für
Preußen geleistet hätten. Wenn sich aber die Konservative Partei berech-
tigten Forderungen verschließe, wenn sie unhaltbare Positionen nicht recht-
zeitig räume, grabe sie sich durch ihre eigene Schuld ihr eigenes Grab.
Ich richtete an die Konservative Partei jene warnenden Worte, die die
Weiterentwicklung der Dinge nur zu sehr bestätigt hat: „Durch Ihr ‚Un-
annchmbar‘ werden Sie die Erbschaftssteuer vielleicht in diesem Augen-
blick zu Fall bringen. Aber Sie werden dadurch für die Zukunft neuen
Erbschaftssteuern die Wege bahnen, die ohne Sie und gegen Sie kommen
und die den Gesichtspunkten und Wünschen der Konservativen Partei
weniger Rechnung tragen werden als die Ihnen heute vorgeschlagene Be-
steuerung. Die Haltung der Konservativen Partei in dieser großen nationalen
Frage wird einen tiefen Eindruck machen auf das deutsche Volk. Es können
dadurch Widerstände und Gegensätze gegen die Konservative Partei
hervorgerufen und gesammelt werden, es kann dadurch einem Radikalis-
mus der Weg geebnet werden, den zu begünstigen weder Sie noch ich vor
der Nachwelt verantworten können. Ich habe heute morgen in einem Zei-
tungsartikel gelesen, daß mein Gedanke einer Annäherung zwischen Kon-
servat'ven und Liberalen nur ein Einfall zu taktischen Zwecken, zu Er-
langung einer vorübergehenden parlamentarischen Konstellation gewesen
wäre. Das trifft nicht zu. Durch die konservativ-liberale Parteikombination
habe ich nicht nur die Liberalen zu politischer Mitarbeit und zur Aner-
kennung staatlicher Notwendigkeiten, sondern auch die Konservativen
zu gesunder Fortentwicklung führen wollen. Ich habe dadurch Gegensätzen
und Kämpfen vorbeugen wollen, die das politische Leben des zukünftigen
Deutschland schwer erschüttern können. Daß das ein staatsmännischer
Gedanke war, wird die Zukunft zeigen, und das wird auch die Geschichte
anerkennen, gleichviel, ob der Träger dieses Gedankens früher oder später
von seinem Platz abtreten wird.‘‘ Ich betonte noch einmal scharf und klar,
daß und warum ich an der Erbschaftssteuer festhielte. Ich Ichnte es ab,
im Bundesrat Steuern zu vertreten, die Handel und Verkehr schädigten,
die Industrie belasteten, unsere gesamtwirtschaftliche Stellung verschiech-
terten. „Ich betrachte es als eine Pflicht ausgleichender Gerechtigkeit, als
eine sozialpolitische Notwendigkeit, daß die der Gesamtheit aufzulegenden
neuen Steuern zu einem erheblichen Teil von den Besitzenden getragen
werden. Es geht nicht an, fünfhundert Millionen neue Steuern nur auf
Verbrauchsabgaben oder andere indirekte Steuern zu legen, welche die
Mittelklassen und die Wenigerbemittelten verhältnismäßig härter treffen
als die Begüterten. Weil sie den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit