Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

WER WIRD NACHFOLGER? 497 
die goldene folgen lassen, antwortete mir August Stein: „Eure Durchlaucht 
bitte ich, meinen besten Dank entgegenzunehmen für die freundlichen 
Worte und Wünsche, mit denen Sie mich aus Anlaß meiner silbernen Hoch- 
zeit mit der Frankfurterin geehrt haben. Doch Eurer Durchlaucht mögen 
mir verzeihen: noch fünfundzwanzig Jahre in diesem Dienst und noch einen 
Reichskanzler, der mir wohlgesinnt ist und dem ich durch persönliche Ver- 
ehrung in allen Wechseln der Politik ergeben bin — — nein, Durchlaucht, 
das wären ‚Vota diis exaudita malignis‘. Der Publizist wandelt in Deutsch- 
land nicht ungestraft unter der Gunst und in der Verehrung für den lei- 
tenden Staatsmann. Ich habe gar keine Sehnsucht nach irgendeinem Nach- 
folger. Die sozialdemokratische Leipziger Volkszeitung hat mich in diesen 
Tagen ‚neben Mohrchen den treusten Stubenhund des Reichskanzlers‘ 
genannt. Das nehme ich lachend hin, aber der Gedanke ängstigt mich, daß 
ein späterer Kanzler irgendein anderes Haustier halten könnte, mit dem 
dann sozialdemokratische Liebenswürdigkeit mich vergliche. Dem Nächsten 
würde ich unbedingt opponieren. Und da ich das nicht gern täte, lassen 
Eure Durchlaucht sich vielleicht bewegen, noch einige Jahre an der Spitze 
zu bleiben, und lassen sich gefallen die aufrichtige Verehrung Ihres ganz 
ergebenen A. Stein.‘ Gustav Schmoller, neben und mit Ulrich von Wilamo- 
witz seit Mommsens Tod der größte lebende deutsche Gelehrte, schrieb 
meiner Frau: „Ich kann diese Zeilen nicht abgehen lassen, ohne Ihnen von 
ganzer Seele zu gratulieren zu den letzten Reden des Reichskanzlers. Er 
hat sich mit denselben selbst übertroffen. Ganz Europa bewundert ihn als 
den Friedensstifter, und mit Recht. Und ich hoffe, seine große Staatskunst 
wird ihm auch in der inneren Politik, in der Reichsfinanzreform weitere 
große Erfolge sichern. Je schwieriger die innere Lage bei uns in Deutsch- 
land ist, je mehr das Parteigetriebe die Leitung der Reichspolitik erschwert 
und großen Reformen Hindernisse bereitet, desto unentbehrlicher ist Fürst 
Bülow für uns. Seine Geschicklichkeit in der Behandlung der Menschen und 
Parteien ist ebenso groß wie seine Beredsamkeit, welche glücklichen Humor 
mit der Höhe der Gesichtspunkte und der zwingenden Kraft durchschlagen- 
der Argumente verbindet.“ 
Es war begreiflich, daß seit der Novemberkrisis von 1908, und insbe- 
sondere seitdem abfällige Äußerungen Seiner Majestät über mich kol- 
portiert wurden, die Frage meiner Nachfolgerschaft diskutiert wurde. 
Während mancher Ehrgeizige sich in dieser Richtung bemühte, erhielt ich 
von dem Statthalter von Elsaß-Lothringen, dem damaligen Grafen, 
späteren Fürsten Karl Wedel einen Brief, den ich folgen lasse, weil er den 
lauteren Charakter, die vornehme Bescheidenheit und den Patriotismus 
dieses ausgezeichneten Mannes treu wiedergibt: „Mein lieber Bülow! Die 
langjährigen freundschaftlichen Beziehungen, die uns verknüpfen, geben 
32 Rblow II 
Brief des 
Stauhalters 
Grafen Wedel
	        
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