Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

SEIN FREUNDESBRIEF 499 
und arbeitslustig bin, so würde doch das Bewußtsein, mit meinem Refus 
lediglich eine patriotische Pflicht erfüllt zu haben, mir den eventuell not- 
wendigen Rücktritt leicht machen. Daß jenes Anerbieten niemals an 
mich herantreten wird, hoffe und glaube ich zwar aus verschiedenen Grün- 
den, daß Sie aber gegebenenfalls dasselbe nicht anregen, ist der Zweck dieser 
Zeilen, indem ich die inständige Bitte an Sie richte, von meiner Kandidatur 
ein für allemal Abstand zu nehmen und mich nicht in die peinliche Not- 
wendigkeit einer kategorischen Ablehnung bringen zu wollen. Glücklicher- 
weise liegt ja der Fall vorderhand noch auf rein hypothetischem Gebiete 
und wünsche ich von Herzen, daß Sie uns noch lange an der Spitze der 
Reichsverwaltung erhalten bleiben, so schwer Sie auch manchmal unter den 
jetzigen Verhältnissen die Bürde des Amtes drücken mag. Daß gegen Sie 
intrigiert und an gewisser Stelle Stimmung gegen Sie gemacht wird, das 
hörte ich ja, und ebenso kann ich mir nach meiner Personalkenntnis 
psychologisch das Vorhandensein einer tiefen Gereiztheit wohl erklären. 
Aber das kann und wird sich ändern, besonders wenn Ihre Unentbehrlich- 
keit sich von neuem durch Erfolge dokumentiert und der zur Waffe ge- 
schmiedete Vorwurf lauer Vertretung bei längerer, ruhiger Erwägung der 
tatsächlichen Verhältnisse sich als haltlos verflüchtigt. Ganz objektiv 
betrachtet, hat ja der jetzige formelle Verkehr gute Früchte gezeitigt, denn 
seit Jahren haben wir uns nicht solcher Ruhe und Stetigkeit erfreut wie in 
den letzten Monaten, und das trotz der ernsten inneren und äußeren 
politischen Lage. Ich freue mich dessen als treuer Diener unseres 
Herrn und als Patriot, und zwar für Ihn wie für das Vaterland. Mit 
dem warmen Wunsche, daß Ihnen das große Werk der Finanz- 
reform gelingen und es Ihnen damit beschieden sein möge, dem Reichs- 
schiffe diejenige Festigkeit zu geben, deren es bedarf, um etwaige Stürme 
nicht nur nicht zu scheuen, sondern ihnen im Notfall auch erfolgreich zu 
trotzen, bin ich in alter Freundschaft Ihr treu ergebener Carl Wedel.“
	        
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