FORTÜNE 39
Wilhelm II. dahin zu bringen, den Marquis Soveral, mit dem ich persönlich
seit jeher,gut stand, durch Liebenswürdigkeit wiederzugewinnen, blieben
ebenso erfolglos wie mein jahrelanges Bestreben, Seine Majestät freund-
licher für die Japaner zu stimmen.
Graf Benckendorff war deutschen Ursprungs. Die Karriere seiner
Familie war bezeichnend für altrussische Verhältnisse. Sie bewies, daß
Kaiser Paul I. nicht unrecht hatte, als er dem englischen Botschafter, der
vor ihm einen Fürsten Dolgoruky einen Grandseigneur nannte, zornig
anfuhr: „Sachez, Monsieur, que dans mon pays on n’est grandseigneur que
quand je parle a quelqu’un et pendant que je parle a quelqu’un.“ Die
Gemahlin ebendieses Kaisers Paul, die Kaiserin Maria Feodorowna, eine
württembergische Prinzeß, suchte nach einer zuverlässigen Gouvernante
für ihre Kinder. Schon im Hinblick auf ihren launenhaften und unberechen-
baren Gatten war diese Frage für sie von Wichtigkeit. Ein ehemaliger rus-
sischer Gouverneur der baltischen Provinzen lenkte die Aufmerksamkeit
der Kaiserin auf die wohlerzogene Tochter eines Artilleriemajors aus Riga
namens Benkendorf. Vater und Tochter gehörten nicht dem alten baltischen
Adel an, waren auch nicht mit der märkischen Familie Beneckendorff-
Hindenburg verwandt, welcher der ruhmvolle Generalfeldmarschall ent-
sproß. Fräulein Benkendorf aus Riga machte sich gut als Erzieherin der
kaiserlichen Kinder, die ihr stets ein dankbares Andenken bewahrten. Sie
selbst wurde mit einem Herrn von Lieven aus gutem baltischem Adel ver-
mählt, der dank seiner Frau Botschafter in London und Fürst wurde. Sie
konnte auch für die Karriere ihrer Brüder sorgen. Sagt doch Mephisto von
dem Floh, den der König liebt, daß auch seine Geschwister bei Hofe bald
große Herren wurden. Ein Benckendorff (das feudal klingende „,c“ setzte
die Familie später vor das „k“ in ihrem Namen und verdoppelte das „f“
am Schluß) wurde unter Kaiser Nikolaus Chef der Dritten Abteilung, d.h.
der geheimen politischen Polizei, damals der wichtigste Posten im russischen
Reich. Ein anderer heiratete die Tochter des russischen Gesandten in Berlin,
Alopeus, der auch ein Glücksritter war, eigentlich Fuchs hieß und es vom
Kandidaten der Theologie zum Baron und russischen Gesandten in Berlin
brachte. Mancher Deutsche hat im siebzchnten, auch noch im achtzehnten
und neunzehnten Jahrhundert in Rußland Fortüne gemacht. Ich erinnere
an Cancrin, der als Sohn des Professors Krebs in Hanau zur Welt gekommen
war und in Rußland unter Kaiser Nikolaus I. vom kleinen Angestellten im
Salzwerk von Staraja Russa allmählich bis zum vieljährigen Finanzminister
und Grafen Cancrin avancierte, an Brunnow, der vom Hauslehrer zum Bot-
schafter in London emporstieg, an die nach Rußland ausgewanderten Söhne
und Enkel des von dem schwärmerischen Studenten Sand ermordeten Lust-
spieldichters Kotzebue, die Generäle, Admiräle, Gesandte und General-
Die
Bencken-
dorffs