DIE MEERENGEN 67
höchstderselbe eich für den Fall veranlaßt sehen könnte, daß die verbitterte
Stimmung Englands gegen uns und namentlich die anscheinend immer
ernstlicher erwogene Absicht, der weiteren Entwicklung der Kaiserlichen
Marine entgegenzutreten, sich zu konkreten Handlungen verdichten
sollten, die unsererseits als unfreundliche Akte aufgefaßt werden müßten.
Seine Majestät würden es in derartigem Falle für unabweisbar erachten,
den unerhörten britischen Anmaßungen mit bewaffneter Hand Halt zu
gebieten und feindseligen Unternehmungen gegen unsere Nord- und Ostsee-
küsten durch schleunige und umfassende militärische Maßnahmen vorzu-
beugen. Dabei würden Seine Majestät nicht umhinkönnen, die bislang
geübte und nicht überall nach Gebühr gewürdigte Rücksicht auf große und
kleine Nachbarn beiseitezusetzen und diese vor die binnen kürzester
Frist zu entscheidende Frage zu stellen, ob sie in dem Konflikt unsere
Freunde und Bundesgenossen sein oder sich zu unseren Gegnern rechnen
wollen. Derartige Sommationen würden in Paris, in Brüssel, im Haag und
in Kopenhagen überreicht werden, am letzteren Platze gleichzeitig mit der
Besetzung einiger strategisch wichtiger Punkte in und an den dänischen
Wasserstraßen. Dänemark werde zwar auf seine Neutralität verweisen.
Da es zu deren wirksamer Aufrechterhaltung und Verteidigung indessen
nur kläglich unzulängliche Machtmittel besitze, sei diese wertlos. Überdies
werde sie noch dadurch illusorisch — Seine Majestät betonte diesen Punkt
besonders —, daß Dänemark grundsätzlich fremden Kriegsschiffen Lotsen
und Durchfahrt der Meerengen gewähre. Meiner Bemerkung, daß Dänemark
bei der grundsätzlichen Gestellung von Lotsen sich auf internationale Ver-
pflichtungen (Sundverträge), auf eine feststehende Tradition und auf
praktische Notwendigkeiten stütze, begegnete Seine Majestät mit der
Äußerung, daß man über derartige Dinge eben hinweggehen müsse. Gegen
jedes der vorerwähnten Nachbarländer, so fuhr Seine Majestät fort, das
nicht umgehend und unzweideutig sich für uns entscheide, würde unverzüg-
lich mit militärischer Gewalt vorgegangen werden. Der Zeitpunkt, wo ein
feindseliger Akt Englands zu erwarten stehe, würde mit dem Moment als
eingetreten zu erachten sein, wo es seine Flotte aus dem Mittelmeer nach
den heimischen Gewässern ziehe. Auf meine vorsichtige Zwischenfrage,
ob nicht mit der Möglichkeit zu rechnen sein dürfte, daß unsere Besetzung
dänischen Bodens und Gewässers schließlich Rußland beunruhigen und,
vielleicht unter der gleichzeitigen Wirkung fremder Einflüsterungen, von
uns hinwegziehen und England in die Arme treiben könnte, äußerte Seine
Majestät, diese Gefahr liege zu einer Zeit nicht nahe, wo der Krieg in Ost-
asien im Gange sei und voraussichtlich sich noch Jahre hinziehen werde,
wo ferner die alten Gegensätze zwischen Rußland und England durch
des letzteren hinterlistiges Vorgehen in Tibet sowie durch die Art der
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