Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Ballin in 
Hamburg bei 
Bülow 
Karl Ulrich 
von Bülow } 
142 DIE KRIEGSERKLÄRUNGEN 
Als mir die gleichzeitig mit uns in Norderney weilende Schwester des 
Kaisers, die Prinzeß Victoria von Schaumburg-Lippe, sagte, ihre Schwä- 
gerin, die Kaiserin, habe ihr auf eine Anfrage telegraphisch erwidert, die 
Lage sei „eine recht ernste“, verließ ich mit meiner Frau die geliebte Insel, 
die ich nicht wiedersehen sollte. Am 1. August erklärten wir Rußland den 
Krieg. In Hamburg erhielt ich im Hotel Atlantic, wo wir abstiegen, sogleich 
den Besuch von Albert Ballin. Er war erschüttert, nicht nur durch den 
Krieg, sondern fast noch mehr durch die „enorme Ungeschicklichkeit‘‘, mit 
der wirin den Krieg „hineingetapert‘‘ wären und die Böses für den weiteren 
Gang der Ereignisse voraussehen ließe, falls der Kutscher Bethmann auf 
dem Bock bliebe. Am 3. August erfolgte unsere Kriegserklärung an Frank- 
reich. Am 4. August wurde ich von dem damaligen Chefredakteur des 
„Hamburgischen Correspondenten“, Herrn von Eckardt, angeklingelt. Er 
telephonierte mir, daß England uns den Krieg erklärt habe. Ich antwortete: 
„Das wird der Nibelungen Not!“ Am nächsten Morgen erzählten mir Ham- 
burger Journalisten, das Pressebüro des Auswärtigen Amtes habe bis zum 
1. August an die Hamburger Blätter telephoniert, sie möchten Frankreich 
und England schonen, da „gute Aussicht“ wäre, daß beide Westmächte 
neutral blieben. Noch am 3. August hatte die Hamburger Presse aus Berlin 
die Weisung bekommen, wenigstens gegen England nichts zu bringen, das 
„höchstwahrscheinlich‘‘ wohlwollende Neutralität bewahren würde. Ob 
diese Direktiven bewußte Unwahrheiten waren oder völliger Verkennung 
der Lage entsprangen, habe ich nicht ermitteln können. 
Am 6. August erhielt ich noch in Hamburg die Nachricht, daß mein 
Bruder, der General Karl Ulrich von Bülow, Führer einer Kavallerie- 
Division, vor Lüttich gefallen sei, getroffen von der Kugel eines Frank- 
tireurs. Er war ein hervorragend tüchtiger Offizier, von klarem und schar- 
fem Verstand, gleich gewandt mit der Feder wie mit dem Wort, sah un- 
gewöhnlich gut aus, war ein ausgezeichneter Reiter, kühn und uner- 
schrocken. In dem Briefe, in dem mir anläßlich des Todes meines Bruders 
mein Nachfolger Bethmann Hollweg sein Beileid aussprach, hieß es: 
„Wenig Menschen habe ich gekannt, bei denen sich Geist und Charakter zu 
einem so harmonischen Ganzen zusammenschlossen: x@Aög zal dyasöc.“ 
Karl Ulrich hatte schon als junger Offhizier bei den 1. Gardeulanen die Auf- 
merksamkeit seines damaligen Kommandeurs, des späteren Feldmarschalls 
und Chefs des Generalstabs, des Grafen Alfred Schlieffen, auf sich gezogen, 
der ihn mir gegenüber als „eine Hoffnung der Armee“ bezeichnete „nach 
Schneid und Begabung“. Er war ein guter Militärattache in Wien gewesen, 
später ein glänzender Kommandeur der 2. Gardeulanen. Nach seinem allzu 
frühen Tode, er war noch nicht zweiundfünfzig, tauchte, wohl infolge der 
damals überall, auch an der Front, herrschenden Aufregung, das Gerücht
	        
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