Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

BETIMANN PIKIERT 7 
Der Kaiser, der auf Albert Ballin hörte und dem an und für sich jede neue 
Idee gefiel, namentlich wenn sie originell war, nahm den Vorschlag gnädig 
auf und ließ sofort Bethmann Hollweg kommen, der gleichfalls in Swine- 
münde eingetroffen war. Als nun Ballin vor dem neuen Kanzler seinen Vor- 
schlag entwickelte, machte dieser ein langes und pikiertes Gesicht. Er 
meinte schmollend: „Gegen diesen Vorschlag muß ich alleruntertänigst Ver- 
wahrung einlegen. Ich habe mir die Herstellung eines vertraucnsvollen, 
wirklich freundschaftlichen Verhältnisses zu England als das Hauptziel 
meiner Kanzlertätigkeit und als meine persönliche Aufgabe ausgesucht. Ich 
habe mich während Eurer Majestät Nordlandreise gründlich in diese Ma- 
terie eingearbeitet, die Akten fleißig studiert. Das ist mein eigenstes Ressort, 
in das ich keine Eingriffe erlauben kann.““ Bethmann, so schloß Ballin seine 
Mitteilung an mich, als wir uns bald nachher wieder begegneten, sah dabei 
50 verstimmt aus, daß Wilhelm II., der ungern unzufriedene Gesichter in 
seiner Umgebung sah, das Thema fallen ließ und, als Bethmann sich entfernt 
hatte, zu Ballin sagte: „Sie haben sein pikiertes Gesicht gesehen! Ich kann 
doch nicht die Ära Bethmann Hollweg mit einem Krach beginnen, 
nachdem die Ära Bülow socben mit einem solchen geendet hat.“ 
Am nächsten Morgen fuhren wir die Elbe hinunter auf der prächtigen 
„Viktoria Luise“, einem der größten Hapagdampfer, auf dem uns der gute 
Ballin bis Cuxhaven geleitete. Wir fuhren an Altona vorüber, an der 
Donnersburg, wo im Herbst 1904 unser Kaiserpaar während der Manöver 
abgestiegen war und wo es die Nachricht von der Verlobung des Kron- 
prinzen erhielt, vorbei an Ocvelgönne, wo die alten Kapitäne vor ihren 
malerischen Häuschen sitzen und mit langen Fernrohren in wehmütiger 
Erinnerung an ihre eigenen Fahrten den vorüberziehenden Schiffen prüfend 
nachschauen. Wir passierten das Landhaus in Flottbek, wo ich geboren 
bin. Es liegt an der Flottbeker Chaussee, die Detlev von Liliencron, wie ich 
meine mit Recht, die schönste deutsche Straße genannt hat. Der uns be- 
nachbarte und befreundete Dichter war in den Tagen meines Rücktritts zu 
unserem Leidwesen gestorben. Die Chaussee war voll Menschen, die uns 
mit „Hoch!“ und „Hurra!“ begrüßten. Der spitze Turm der Kirche von 
Nienstedten ward sichtbar, deren längst heimgegangener würdiger Pastor 
Classen mich als Siebzigjähriger einst getauft hat. Er liegt neben der Ein- 
gangstür zum Friedhof begraben, auf dem auch ich meine letzte Ruhe 
finden soll. Täufer und Täufling werden sich Auge in Auge gegenüberstehen 
am großen Tage der Auferstehung. Die malerisch am Ufer aufsteigenden 
Häuser von Blankenese, das man mit Sorrent verglichen hat und das in 
seiner Art für mich ebenso reizvoll ist, Schulau, Wedel, Glückstadt ziehen 
vorüber. Die Elbe wird immer breiter, immer mächtiger. Brunsbüttel, von 
wo ich zehn Jahre früher mit unserem Kaiserpaar die Fahrt nach England 
Flottbek
	        
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