Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

War Verdun 
ein Fehler? 
186 FALKENHAYN 
nicht nur neben sich ertrug, sondern ihn hielt und stützte, erinnert an das 
Verhältnis des alten Blücher zu seinem Gneisenau. Alle vier gehören für 
alle Zeiten in die deutsche Ruhmeshalle. 
Der durch den katastrophalen Ausgang der Marneschlacht notwendig 
gewordene Wechsel in der obersten Heeresleitung führte den preußischen 
Kriegsminister von lalkenhayn an die Stelle des Generalobersten von 
Moltke. Erich von Falkenhayn war, was Goethe und nach ihm Spielhagen 
eine problematische Natur genannt haben, ein Typus, der im französischen, 
russischen, spanischen, selbst im österreichischen Hcere nicht selten, aber 
in der preußischen Armee, wenigstens an den höchsten Stellen, kaum ver- 
treten war. Sohn einer alten pommerschen Adelsfamilie, mit allen guten 
Eigenschaften des aus dem Junkertum hervorgegangenen Offiziers, wage- 
mutig, kräftig, nie ängstlich oder gar erschrocken, äußerlich anzuschauen 
wie ein Kriegsgott, hatte er schon als junger Infanterieoffizier wegen 
Schulden Jen Dienst quittieren müssen, war nach China gegangen und 
hatte sich dort mit der Ausbildung chinesischer Rekruten ziemlich kümmer- 
lich durchgeschlagen, aber sich den Weltwind um die Ohren gehen lassen. 
Durch den Feldmarschall Waldersee, dem sein gutes Aussehen, seine 
Anstelligkeit und seine Brauchbarkeit auffielen, nach Deutschland zurück- 
gebracht, machte er von da an eine ungewöhnlich rasche Karriere. Er wurde 
vom Generalobersten von Moltke protegiert, der sich damit freilich wenn 
auch nicht gerade eine Schlange am Busen, so doch den zukünftigen Nach- 
folger erzog. Mit seinen Vorzügen wie mit seinen Schwächen war der 
General von Falkenhayn ganz der Mann, Kaiser Wilhelm 1I. zu gefallen. 
Wenu Moltke, körperlich schon sehr verbraucht, mit starker Neigung zu 
mystischen Spielereien und zu theosophischem Grübeln, den Kaiser, 
sobald sich das Glück von uns abzuwenden schien, eher deprimiert hatte, 
so hob der frische, resolute, nie um eine Auskunft oder einen Ausweg ver- 
legene, forsche Falkenhayn sogleich die Stimmung Seiner Majestät. Da 
war doch Nervenkraft und Verantwortungsfreudigkeit. Ich enthalte mich 
eines Urteils über die militärischen Leistungen des Generals von Falken- 
hayn. War Verdun ein Fehler? War Ypern ein Fehler? Beide kosteten 
Ströme von Blut, beide brachten keinen durchschlagenden Erfolg. Sicher 
scheint, daß Falkenhayn, dem die streng sachliche, wohl auch die ethische 
Größe von Hindenburg abging, durch die Lässigkeit, um nicht zu sagen 
eifersüchtige Engherzigkeit, mit der er wiederholt das dringende Ersuchen 
von Ober-Ost um Verstärkung behandelte, eine schwere Verantwortung auf 
sich genommen hat. Dagegen erfordert die Gerechtigkeit, anzuerkennen, 
daß Falkenhayn für politische Fragen, Zusammenhänge und auch Ge- 
fahren mehrfach mehr Verständnis zeigte als Ludendorff. Niemals darf das 
deutsche Volk die Helden vergessen, die vor Verdun in einem Höllenfeuer
	        
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