Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Bülows 
Nachfolger 
12 MISSTRAUEN BETHMANN HOLLWEGS 
gewaltige Kräfte und Energien birgt, wie es dies noch bei den letzten 
Wahlen, den Wahlen von 1907, bewiesen hatte. Meine Sorgen galten erst 
recht nicht unserem Heer, dem tapfersten und tüchtigsten, dem kühnsten 
und ausdauerndsten Hcere der Welt, vom prächtigen alten Haeseler und 
dem wackeren Bock von Polach bis zum letzten Musketier. Meine sorgen- 
vollen Gedanken beschäftigten sich mit dem Kaiser, sie bezogen sich auf 
meinen Nachfolger. Wilhelm Il. war für die Leitung und auch für die 
Kontrolle unserer Politik ebensowenig befähigt wie für die militärische 
Führung in einem etwaigen Krieg. Daß er sich selbst auf beiden Gebieten 
hoch einschätzte, bewies leider nur seine eigene Urteilslosigkeit. Er hatte 
in einem Anfall von Überhebung zu dem Grafen Alfred Waldersee, wie 
dieser mir selbst erzählte, als er ilın von der Stellung des Chefs des 
Generalstabs enthob und in Altona als Kommandierenden General kalt- 
stellte, von oben herunter gesagt: Er, Wilbelm II., brauche keinen Chef 
des Generalstabs, denn im Kriege würde er selbst führen und allein 
entscheiden, wie das der große König auch getan hätte; im Frieden 
genüge ihm ein Amanuensis. In Wirklichkeit bedurfte er schon im Frieden, 
geschweige denn für den Fall eines Krieges, in hohem Grade eines Mentors, 
eines Beraters und Führers, der immer auf dem Posten war und der dabei 
ihn zu nehmen wußte, eines Vormunds, der überall nach dem Rechten sah. 
War Bethmann Hollweg hierfür die geeignete Persönlichkeit ? Gerade 
weil ich dem Kaiser noch vor einigen Wochen an Bord der „Hohenzollern“ 
von Bethmann abgeraten hatte, hielt ich es doppelt für meine Pflicht, 
diesen nach Kräften in die Geschäfte und vor allem in die auswärtige Lage 
einzuführen. Loebell hatte mir nicht verhehlt, daß sich Bethmann 
Hollweg mir gegenüber in einer mißtrauischen und gekränkten Stimmung 
befinde. Valentini habe meinem Nachfolger erzählt, daß ich über seine 
Wahl nicht gerade entzückt gewesen sei. Allen Ministern und Staats- 
sekretären hätte ich mein Bild mit freundlicher Widmung zugehen lassen. 
Warum nicht auch ihm? Loebell hielt dabei eine kleine Photographie von 
mir in der Hand und bat mich, um von vornberein allen dem Staatswohl 
nicht zuträglichen Friktionen und Mißverständnissen zwischen mir und 
meinem nun einmal empfindlich und grämlich angelegten Nachfolger 
vorzubeugen, unter diese Photographie zu schreiben: „Dem will- 
kommenen Nachfolger“. Ich erfüllte diesen Wunsch meines treuen 
Mitarbeiters, und ich freue mich, daß ich es tat, denn ich habe jetzt hin- 
sichtlich meines Verhältnisses zu meinem Nachfulger ein ganz reines 
Gewissen. 
Loebell war ein persönlicher und langjähriger Freund von Bethmann 
Hollweg wie von Valentini. Er hat später die allzu gute Meinung, die 
er von den beiden gehabt hatte, bitter bereut. Die vortreflliche Frau von
	        
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