Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Brief der 
Fürstin 
IVittgenstein 
230 EINE HUNDERTJÄHRIGE 
hervorragenden Talente, die Sie zieren, und der nicht geringen Verdienste, 
die Sie in Ihrem langen politischen Leben sich um Ihr Vaterland zu er- 
werben wußten, hätten Uns die Huldigung in hohem Grade genehm ge- 
macht, die Eure Durchlaucht zugleich mit Ihrer verehrten Frau Gemahlin 
Uns vor Ihrer Abreise aus dieser Stadt persönlich zu erweisen gedachten, 
sofern die Umstände es gestattet hätten. Auf jeden Fall nehmen Wir 
dankbar den tiefgefühlten Wunsch entgegen, den Eure Durchlaucht am 
Schlusse Ihres Briefes an die göttliche Vorsehung richtete, sie möge 
gnädig dem Heiligen Stuhl beistehen. Wir Unsererseits erwidern diese 
Wünsche in väterlicher Liebe für Ihre Nation, für Eure Durchlaucht und 
für Ihre erlauchte Gemahlin und gewähren gleichfalls aus vollem Herzen 
den von ihr erbetenen Apostolischen Segen.‘‘) 
Der friedliche und edle Geist, in dem dieser Brief des Oberhauptes der 
katholischen Kirche gehalten ist, sprach auch aus einem Schreiben, das die 
Fürstin Leonille Wittgenstein bald nach meinem Eintreffen in Rom 
an meine Schwiegermutter, Donna Laura Minghetti, gerichtet hatte. Die 
Fürstin Leonille war damals schon 99 Jahre alt. Sie sollte beinahe ebenso 
alt werden wie Graf Greppi. Sie starb erst 1918, 101 Jahre alt, in Ouchy 
bei Lausanne. Dort hatte sie dem heiligen Josef eine Kapelle errichtet und 
sich daneben eine Villa erbaut. Sie war die Schwiegermutter meines Amts- 
vorgängers Chlodwig Hohenlohe. Ich war ihr in seinem Hause wührend 
meiner Pariser Dienstzeit in der ersten Hälfte der achtziger Jahre oft 
begegnet. Wir hatten viel und über vieles zusammen gesprochen. Sie war 
mir eben so gütig gesinnt wie ihr Schwiegersohn. Russin von Geburt, eine 
Prinzeß Bariatinsky, war sie als Gattin des am Rhein ansässigen Fürsten 
Louis von Sayn-Wittgenstein unter dem Einfluß rheinischer Kirchenglocken 
und rheinischer Frömmigkeit zur katholischen Kirche übergetreten und 
eine sehr treue Katholikin geworden. Sie schrieb an Donna Laura: „Chere 
et tr&s charmante Donna Laura, Bonne annee, annee r¶trice! Apr&s 
celle-ci effroyable qui finit noy&e dans le sang et les torrents de larmes! Je 
grille de vous dire un mot tout petit, mais tout brülant du sentiment qui 
Yinspire. Je vous le confie afın que vous le transmettiez ä votre illustre et 
tres aim& gendre le Prince de Bülow. Au milieu du chaos qui bouleverse le 
monde et creuse des abimes entre les peuples, la reapparition du Prince est un 
coup de gräce de la Providence et le signe Evident de sa predestination a 
l’accomplissement, du salut de l’humanite, de sa dignite, de son honneur, et 
de son Equilibre. Je prie Dieu, seul juste, bon et tout puissant de presider 
aux inspirations du Prince de l’assister et de benir ses eflorts. Je vous 
quitte sur cette pens&e et vous embrasse aussi tendrement que je vous aime.““ 
In traurigem Gegensatz zu dieser großzügigen Beurteilung der Weltlage 
stand die Kleinlichkeit der Berliner politischen Leitung. Ein trübseliges
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.