Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DER KAISER WILL NACH SPANIEN 289 
Wenige Tage später bezog ich wieder in Berlin unser gewohntes Quartier 
im Hotel Adlon, mit dem Blick auf den Pariser Platz. Als ich am Abend 
unserer Ankunft einen Spaziergang Unter den Linden unternahm, war ich 
erstaunt, den ersten Stock der russischen Botschaft hell erleuchtet zu sehen, 
in dessen Gesellschaftsräumen ich Paul von Oubril und Peter Saburow, den 
einäugigen Fürsten Orlow, den Freund des Fürsten Bismarck, der ein Auge 
im Krimkrieg, beim Sturm auf Silistria, verloren hatte, meinen Freund den 
General Paul Schuwalow und, während meiner Amtszeit, den würdigen 
Grafen Osten-Sacken als Vertreter des Zaren gekannt hatte. Als ich eine 
Zeitungsverkäuferin frug, was in der russischen Botschaft los wäre, meinte 
sie: „Da is jroßer Trara bei die Russen for die Brieda von die U. S. P.“ In 
der Tat feierten russische und deutsche Kommunisten ein Verbrüderungs- 
fest. Die Beziehungen zwischen beiden waren schon seit einiger Zeit sehr 
intim geworden. Der rollende russische Rubel, der unter dem Zarentum 
sich in Frankreich den Weg in so viele Zeitungsredaktionen wie auch in 
manche Tasche einflußreicher Politiker gebahnt, der auf dem Balkan, auch 
in Galizien und in Böhmen weite Kreise infiziert hatte, fand unter dem 
Sowjetstern seinen Weg in die Taschen der deutschen Radikalen, die sich 
in ihren verbrecherischen Anschlägen seit Monaten durch russische 
Subsidien unterstützt sahen. Der Gastgeber bei dem erwähnten Fest, der 
Botschafter Joffe, hat ein Jahr später, in ziemlich rüder Weise, nachdem 
der Umsturz in Deutschland erfolgt war, den sozialdemokratischen 
deutschen Reichstagsabgeordneten Oskar Cohn in einem offenen Brief 
daran erinnert, daß es ohne die von den Bolschewisten gewährte reichliche 
Subvention kaum möglich gewesen wäre, den Matrosenaufstand in Kiel 
und die Revolution in München und Berlin zu inszenieren. 
Eigenartiges hörte ich schon in den ersten Tagen meines Aufenthaltes 
in Berlin über Haltung und Stimmung des Kaisers. Der Reichstags- 
abgeordnete Heckscher erzählte mir, er sei in der Königgrätzer Straße 
dem Kaiser begegnet, der aus dem Garten des Hausministeriums kam, wo 
er damals fast täglich mit dem Hausminister Eulenburg konferierte. Der 
Kaiser habe ihn, Heckscher, mit durchbohrendem Blick angesehen und ihm 
mit pathetischer Stimme zugerufen: „Schützen Sie meine kaiserlichen 
Rechte!“ 
Seltsamer klang, was mir ein Angehöriger der spanischen Botschaft 
sub rosa anvertraute. Ein Abgesandter des Kaisers habe in der 
spanischen Botschaft angefragt, ob Seine Majestät für den Fall, daß er 
Deutschland verlassen müsse, in Spanien auf eine freundliche Aufnahme 
rechnen könne. Von seiten der Botschaft war erwidert worden, daß König 
und Volk in Spanien, die während des Krieges ihre Sympathien für 
Deutschland nicht verhehlt hätten, dem Deutschen Kaiser die Gast- 
19 Bulow III 
Bülow in 
Berlin
	        
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