BURGGRAFEN 7
zu allen sonstigen Schrullen eine so hochgradige Neurasthenie, daß er in
einer Maison de sante€ endigte. Das letztemal sah ich ihn 1891 in Ostende,
wo er mir auseinandersetzte, er könne nur existieren, wenn er morgens ein
eiskaltes und abends ein kochendheißes Bad nähme. Adalbert Dohna war
ein prächtiges Original, über ihn zirkulierte eine große Anzahl Anekdoten.
Bei den 1. Gardedragonern hatte er als Einjähriger einmal bei einer Übung
vor dem alten Kaiser die Richtung verloren. Der Kaiser, dem bei militä-
rischen Besichtigungen kein Detail entging, schüttelte den Kopf und frug
nach seinem Namen. Wutschnaubend rief der Kommandeur, nachdem der
Kaiser sich entfernt hatte, dem Regiment zu: „Es ging im großen und
ganzen gut. Nur Sie, Einjähriger Graf Dohna, das kann ich Ihnen sagen,
Sie sind dem Kaiser aufgefallen!“ Mit der größten Pomadigkeit erwiderte
Dohna: „Angenehm oder unangenehm, Herr Oberst?“ Adalbert Dohna
hatte einen unbändigen Stolz auf seinen Namen, und in der Tat gehört die
Familie der Burggrafen zu Dohna zu den ältesten und erlauchtesten deut-
schen Adelsgeschlechtern. Als einmal in Bonn der Erbgroßherzog von
Mecklenburg-Schwerin neben Adalbert Dohna Platz nahm, meinte der zu
ihm: „Königliche Hoheit, Sie sind aus einer anständigen, aus einer sehr an-
ständigen Familie, aber neben einen Dohna müssen Sie sich doch nicht
setzen.‘ Er ärgerte später als Regierungsrat in Stettin und in Breslau durch
seinen rücksichtslosen Freimut nur allzu oft seine direkten Vorgesetzten,
wurde aber von den Oberpräsidenten gehalten, die sich an seiner Ursprüng-
lichkeit ergötzten. Er hatte einmal bei einem Bierjungen vierundachtzig
Gläser nacheinander ausgetrunken, achtundvierzig Stunden wie tot da-
gelegen, sich dann aber wieder erholt. Er war sehr musikalisch und spielte
wundervoll Klavier. Von allen, die gleichzeitig mit mir das Pädchen be-
suchten, lebt nur noch einer: Franz von Veltheim, durch seine Heirat mit
der Gräfin Marie von Wylich und Lottum Fürst von Puttbus.
Omnes eodem cogimur omnium
Versatur urna, serius ocius
Sors exitura, et nos in aeternum
Exilium impositura cimbae.
Neben dem großen Garten des Pädchens war ein kleiner Turnplatz mit
einem Reck, an dem die Riesenwelle und der Klimmzug geübt, mit einem
Barren, an dem, auf die steifen Arme gestützt, die Beine gen Himmel ge-
hoben wurden, mit einem „Pferd“, über das gesprungen wurde. Im Garten
war eine Kegelbahn, auf der wir fleißig „schoben“, ohne zu ahnen, daß
dieses Wort einmal eine ganz andere Bedeutung gewinnen würde. Ich habe
später in Bonn und in Metz wie in St. Petersburg dem edlen Kegelspiel gern
gehuldigt.