82 BISMARCK ÜBER DEN JÜNGSTEN THRONERBEN
Ausdruck zu geben, daß der Ministerpräsident offenbar schon jede Hoff-
nung auf Sieg aufgegeben habe. Bismarck erwiderte, daß sich der Herr Vor-
redner irre, er gebe sein Spiel noch lange nicht auf. Bei dem Worte „Spiel“
ging eine Welle der Entrüstung durch die Reihen der biederen Kreisrichter
und Professoren, die dem Ministerpräsidenten auf den ersten Bänken der
Opposition gegenübersaßen. Spiel, Spiel! Welche Frivolität, welcher Zynis-
mus! Die Hände dir zu reichen, schaudert’s, o Bismarck, den Reinen. Kann
man sich wundern, daß Bismarck solche Spießbürger nicht hoch ein-
schätzte? Ich habe gelegentlich diesen kleinen Vorfall englischen, fran-
zösischen, italienischen Freunden erzählt, damit sie die Mentalität gewisser
und nicht ganz weniger meiner Landsleute besser begriffen. Die Fremden
verstanden die Pointe gar nicht. Sie konnten sich nicht denken, daß irgend-
ein Mensch sich über die Wendung aufregen könne: Ich gebe mein Spiel
noch nicht verloren. Ist es gar so absonderlich, daß Bismarck so kleinliche,
pedantische, formalistische Politiker als Tiefenbacher, Gevatter Schneider
und Handschuhmacher ansah ?
Liegen in Garnison zu Brieg,
Wissen viel, was Brauch ist im Krieg.
Der Kampf für die Rechte der Krone wurde von Bismarck mit recken-
haftem Mut geführt. Am 27. Januar 1863 schloß er während der Adreß-
debatte im Hause der Abgeordneten seine Rede mit den Worten: „Es ist ein
eigentümliches Zusammentreffen, daß die Beratung dieser Adresse, welche
unserem königlichen Herrn überrreicht werden soll, gerade zusammenfällt
mit dem heutigen Geburtstag des jüngsten mutmaßlichen Thronerben.
In diesem Zusammentreffen, meine Herren, sehe ich eine verdoppelte Auf-
forderung, fest für die Rechte des Königtums, fest für die Rechte der Nach-
folger Seiner Majestät einzustehen. Das preußische Königtum hat seine
Mission noch nicht erfüllt, es ist noch nicht reif dazu, einen rein ornamen-
talen Schmuck Ihres Verfassungsgebäudes zu bilden, noch nicht reif, als
ein toter Maschinenteil dem Mechanismus des parlamentarischen Regi-
ments eingefügt zu werden.‘ Die Vorsehung ist weise, wenn sie uns die Zu-
kunft verhüllt. Hätte Bismarck in jenen Tagen des schärfsten Konflikts
gewußt, daß der Enkel des Monarchen, für den er so hingebungsvoll und
tapfer stritt, daß der am 27. Januar 1863 vier Jahre alt gewordene Prinz
Wilhelm, für dessen Zukunft er gleichzeitig seine Person und sein Genie
einsetzte, ihn einmal übermütig fortschicken und undankbar schmähen
würde wie einen lästig gewordenen Bedienten, so hätte das die Energie auch
eines solchen Helden lähmen können.
Als Schüler des Pädagogiums wurde ich am 18. März 1866 konfirmiert.
Einsegnung Pastor Seiler, der den Konfirmationsunterricht leitete, stand auf positiv