CLASSEN-KAPPELMANN 87
gerichteten Frauen mit Rosen und Vergißmeinnicht bekränzt worden sei.
Vielleicht befand sich unter diesen Damen die eine oder die andere, die nach
dem Attentat auf Walter Rathenau weniger milde über Mordversuche
urteilte.
Während die Hauptstadt der Schauplatz so dramatischer Szenen war,
verfolgten wir Schüler des Pädchens mit unbeschreiblicher Spannung den
Gang der Ereignisse. Wir waren empört, daß Magistrat und Stadtverordnete
einer ganzen Anzahl preußischer Städte Adressen an den König richteten,
in denen sie einen gründlichen Wechsel des Systems wie der Personen der
Regierung und die Entlassung des Ministerpräsidenten verlangten und vor
allem sich gegen den Krieg wandten. Die Stettiner jammerten, daß Preußen,
von den Sympathien aller Deutschen verlassen, vom Ausland mit Schaden-
freude betrachtet, mißmutig und zwieträchtig dastehe und nimmermehr
zu einem Erfolge gelangen werde. Stürmisch verlangten die Einwohner der
Krönungsstadt Königsberg, daß die drohende Gefahr eines Bürgerkrieges
durch die Berufung neuer Männer gebannt würde. Die Handelskammern
bliesen in dasselbe Horn. Namentlich in Köln war die Erregung sehr groß.
Der dortige leitende Volksmann hieß Claßen-Kappelmann. Er war vorüber-
gehend sehr populär. Wir lachten aber im Pädchen, als ein vom Rhein
zurückkehrender Gast erzählte, die Kölner Jungen hätten ihren Humor
noch nicht verloren und sängen auf den Volkshelden Claßen-Kappelmann
das Liedchen:
Der Mann, der uns noch retten kann,
Das ist der Claßen-Kappelmann.
Ich han ihn gestern noch in der Flora gesehn,
Da war er so besoffen, daß er nicht konnte stehn.
Auf den Rat des Ministerpräsidenten würdigte der König die Friedens-
adressen keiner Antwort. Anders, als die Breslauer Gemeindevertretung
eine Adresse an ihn richtete, in der sie zwar die Beendigung des Ver-
fassungskampfes forderte und auf die in weiten Kreisen herrschende Ver-
stimmung hinwies, aber gleichzeitig erklärte, Breslau, die Hauptstadt
derjenigen Provinz, die zuerst und zunächst dem Kriege mit seinen
Wechselfällen ausgesetzt sei, werde an Opferwilligkeit wie im Jahre 1813
so auch jetzt keiner anderen preußischen Stadt nachstehen. Könnte der
Friede erhalten werden, so würden ihn Schlesien und Breslau freudigen
Herzens begrüßen. „Sollten aber die Gegner Preußens und Deutschlands,
wie es im Jahre 1850 geschehen, wieder eine Minderung der Machtstellung
Preußens, wieder eine Demütigung Preußens erstreben, so wird Schlesien
lieber alle Lasten und Leiden des Krieges auf sich nehmen, als die Lösung
der historischen Aufgabe Preußens: die Einigung Deutschlands, wieder um
Adressen
der Städte