Graf
Heinrich
Redern
96 „UNGLAUBLICH!*"
die Frage vorgelegt wurde, was geschehen solle, wenn die preußische Armee
geschlagen werden sollte, antwortete er: „Dann muß der König Werther zu
meinem Nachfolger machen.“
Gesandter in Petersburg war Graf Heinrich Redern, ein Diplomat der
alten Schule in des Wortes verwegenster Bedeutung. Er würde als Reprä-
sentant dieser Schule auf jeder Bühne einen Bombenerfolg gehabt haben.
Als Attache war er zweimal im diplomatischen Examen durchgefallen. Das
war noch in den ersten Jahren der Regierung Friedrich Wilhelms IV. Als
Sohn eines königlichen Hofmarschalls wurde er oft zum Tee der Königin
befohlen. Das war auch am Tage seines Mißerfolges der Fall. Die Königin,
die wußte, daß er im Examen gestanden hatte, frug, wie die Sache ab-
gelaufen wäre. Sehr verlegen schwieg der arme Graf Heinrich Redern. Der
witzige Friedrich Wilhelm IV. antwortete schlagfertig: „Unser lieber Graf
hat auf alle Fragen so klug geantwortet, daß die Examinatoren einstimmig
gerufen haben: Da capo, da capo!“ Von Hause aus österreichisch gesinnt,
wurde Heinrich Redern in dieser Richtung noch von seiner Gattin bestärkt,
die eine geborene Österreicherin, eine Prinzessin Odescalchi, war. Als sich
im Frühjahr 1866 die Situation immer mehr zuspitzte, erwiderte in Peters-
burg der Gesandte Graf Heinrich Redern auf alle Fragen nach der Auf-
fassung in Berlin: „Niemals läßt mein König auf die Weißröcke schießen.“
Einige Tage nachdem in Preußen die Mobilmachung angeordnet worden
war, ließ sich bei dem Gesandten Redern der damalige Leutnant im
8. Husaren-Regiment, spätere Botschafter in Madrid, Ferdinand Stumm
melden. Als Graf Redern ihn frug, was er in Petersburg wolle, erwiderte
Stumm, er habe in der Krim, wohin er eine Vergnügungsreise unternommen
habe, erfahren, daß in Deutschland der Krieg bevorstehe, und eile, sich bei
seinem Regiment in Paderborn zu melden. Sehr ungnädig entließ ihn der
Gesandte, begab sich in die Kanzlei und erklärte den dort versammelten
Sekretären: „Ein Mann, der Stumm heißt, behauptet, wir bekämen Krieg!
Unglaublich !“
Das Unglaubliche wurde Ereignis. Redern schüttelte über die Sprengung
des Bundestags, über das Einrücken der preußischen Armee in Dresden,
in Kassel und Hannover bedenklich den Kopf. Als aber in St. Peters-
burg die Nachricht eintraf, daß die Österreicher die Italiener, die Bundes-
genossen der Preußen, bei Custozza geschlagen hätten, betrat der preußische
Gesandte am Abend dieses Tages den Salon der Fürstin Kotschubey,
der russischen Oberhofmeisterin, in gehobener Stimmung mit den Worten:
„Enfin une bonne nouvelle! Les Autrichiens ont remport@ une belle
victoire!‘“ Auch hier machte Bismarck ‚fleche de tout bois‘‘. Seine Politik
in Petersburg machte er mit dem damaligen preußischen Militärattache,
dem späteren Botschafter Lothar von Schweinitz; der würdige Heinrich