Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

AUF DEM RHEIN 139 
machten, so weiß ich auch, wieviel ich dem braven Wachtmeister der 
Bonner Ersatzschwadron schulde, der den jungen Rekruten mit väterlichem 
Wohlwollen überwachte, leitete und anlernte. Der Wachtmeister Wunder- 
lich war ein Prachtexemplar unseres alten prächtigen Unteroffizierstandes. 
Wenn er mit gewichstem Schnurrbart und strengem Blick, niein bummeliger 
Haltung, immer stramm, niemals familiär oder jokos, stets gravitätisch, 
eine dicke Brieftasche in der Hand, vor mir stand, so empfand ich einen 
Respekt, wie ihn mir in meiner dienstlichen Laufbahn kein anderer Vor- 
gesetzter eingeflößt hat, der einzige Bismarck ausgenommen. Ich habe nie 
„Wallensteins Lager‘ gelesen oder auf der Bühne gesehen, ohne bei der 
von Schiller genial gezeichneten Figur des Wachtmeisters an den alten 
Wunderlich im Sommer 1870 zu denken. 
Wer nichts waget, der darf nichts hoffen. 
Es treibt sich der Bürgersmann träg und dumm 
Wie des Färbers Gaul nur im Ring herum. 
Aus dem Soldaten kann alles werden, 
Denn Krieg ist jetzt die Losung auf Erden. 
Wachtmeister Wunderlich sprach nicht in schönen Versen wie Schiller, 
aber er dachte ähnlich. Er mochte fühlen, wie hohe Achtung mich vor ihm 
erfüllte, denn er zeigte mir bald ein unverkennbares Wohlwollen. Das 
bewies er mir, als er mir nach achttägigem Stalldienst riet, mir ein eigenes 
Pferd anzuschaffen. Ich ritte nicht übel. Auf einem eigenen Pferde werde 
das noch mehr hervortreten. Ich hätte, wie er hoffe, mein Zivil endgültig 
an den Nagel gehängt, ich müsse Husar werden, Königshusar: Avantageur, 
Portepeefähnrich, Leutnant, dann stünde ich auf der Leiter zur höchsten 
Macht. Solcher Aufstieg würde mir durch ein eigenes Pferd erheblich 
erleichtert werden. In Deutz, in der Kaserne der 8. Kürassiere, sei, wie er 
höre, bei dem Herrn Rittmeister von Marees ein Pferd zu haben. 
Am nächsten Tage machte ich mich nach Köln auf den Weg. Natürlich 
fuhr ich mit dem Dampfschiff, denn am schönen Rhein eine Eisenbahn zu 
benutzen, erschien mir prosaisch. Es war ein sehr heißer Augusttag. Ich 
war um vier Uhr morgens aufgestanden. Ich hatte lange Pferde gestriegelt, 
dann Stechschritt geübt, dann Säbel gefuchten und mich zum Schluß an 
einem allzu lang ausgedehnten Frühschoppen im Hotel Royal mit 
Kameraden beteiligt. An Bord des Rheindampfers schliefich bald auf einem 
Stuhle ein. 
Wie lange ich geschlafen habe, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, daß, 
als ich aufwachte, zwei schöne Augen auf mich gerichtet waren. Diese 
Augen gehörten einem anmutigen Mädchen, das dezent und mit Geschmack 
gekleidet war. Die Figur war voll und dabei graziös, das ganze Persönchen 
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