Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

In Deutz 
Auf dem 
Bonner 
Exerzierplatz 
142 GRETE 
Aufstieg verfolgt habe. Sie hatte, wie sie weiter erzählte, einige Jahre nach 
unserer Kölner Begegnung dem Theater Valet gesagt, um einen älteren 
Mann, einen trefflichen Mann zu heiraten, einen angesehenen und wohl- 
habenden Bankier. Ihr Mann trage sie auf Händen, sie habe es gut bei ihm. 
Nicht ohne Humor fügte sie hinzu, daß ihr Gatte ein unentwegter Anhänger 
des Kanzlers Bülow sei. Schon vor der Reichstagsauflösung habe er für 
dessen Politik geschwärmt. Jetzt habe er sich aus Freude über den großen 
Wahlsieg „seines“ Reichskanzlers auf der Ressource einen kleinen Schwips 
geholt. So können, wenn günstige Sterne walten und nicht allzuviele 
Dummheiten gemacht werden, sich schließlich auch anscheinende Disso- 
nanzen in Harmonie auflösen, die nach Leibniz Zweck und Sinn des Welt- 
prozesses ist. 
Während die liebe Kleine der Hauptstadt Preußens zurollte, suchte ich 
den Rittmeister von Mar&es in Deutz auf. Er ließ mir sogleich eine schöne, 
hellbraune, gängige Stute mit Stern und weißen Fesseln vorführen, die er 
mir zu einem annehmbaren Preise überließ, nachdem ich sie auf dem Zirkel 
ausprobiert und auch eine Barriere mit ihr gesprungen hatte. Die brave 
Stute hat mich von Metz bis Amiens und Rouen, sie hat mich auf schwie- 
rigen Ordonnanzritten und gefährlichen Patrouillen, sie hat mich in den 
Schlachten von Amiens, an der Hallue, bei Bapaume, Tertry-Porcilly, 
Saint-Quentin getragen. Ich taufte sie „Grete“. Meine Kölner Freundin hieß 
Margarete, wie zwei Heilige, zwei Statthalterinnen der Niederlande, drei 
oder vier Königinnen, ungezählte Fürstinnen, Gräfinnen und Freifrauen. 
Ich nannte sie im T£te-a-t&te Gretchen, womit sie sich einverstanden 
erklärte, zumal ich mich darauf berufen konnte, daß Faust sein Gretchen 
mit dem Ausruf begrüßt habe, in den ich einstimme: „Beim Himmel, 
dieses Kind ist schön!“ 
Der Rittmeister von Marees rückte im Spätherbst seinem Regiment um 
dieselbe Zeit nach, wo ich zu dem meinigen stieß, Er sollte nicht aus dem 
Kriege zurückkehren. Er fiel nicht weit von mir, bei Bapaume, wo die 
8. Kürassiere gleichzeitig mit den 7. Husaren eingesetzt wurden. Der 
Rittmeister von Marees war ein Verwandter des berühmten Malers Hans 
von Marees, von dem ich im Aquarium in Neapel die schönen Fresken 
gesehen habe. 
Von Deutz ritt ich die Grete noch am selben Nachmittag in flotter Gang- 
art nach Bonn und am nächsten Vormittag im Zug. Das Exerzieren auf dem 
„sand“, so hieß der eine kleine halbe Stunde von der Kaserne entfernte 
Exerzierplatz, gefiel mir noch besser als der Stalldienst. Ich ritt im ersten 
Zug, der Portepeefähnrich von dem Knesebeck war mein Zugführer. Er hat 
mich später bisweilen scherzend daran erinnert, daß ich damals vor ihm 
strammstehen mußte. Ich lernte Richtung halten und Fühlung nehmen,
	        
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