DER KRONPRINZ 145
Zu schönrem Streit jetzt stähle
Die Brust sich mutentbrannt —
Ein Herz und eine Scele
Sind wir fürs Vaterland!
All Haß und Hühnchenpflücken
Sei ewig abgetan!
Denkt nicht mehr an die Kücken,
Denkt nur an Galliens Hahn!
Den faßt mir an die Kehle
Und dreht sie um gewandt! —
Ein Herz und eine Seele
Sind wir fürs Vaterland!
Gewaltiger noch tönte das am 25. Juli 1870 von Heinrich von Treitschke
gedichtete Lied vom Schwarzen Adler, eines der schönsten Lieder, die je
von einer deutschen Lippe flossen.
Die auf den Schlachtfeldern von Weißenburg und von Wörth mit Blut
besiegelte Gemeinschaft von Nord und Süd, von Ost und West verkörperte
sich in dem Sieger der Schlacht, in dem preußischen Kronprinzen, dem
späteren Kaiser Friedrich. Wie kaum ein anderer besaß er die Eigen-
schaften, die dem Deutschen seit Jahrhunderten am Manne so teuer sind:
die Reinheit der Seele und die Festigkeit des Herzens, edlen Stolz und
rührende Bescheidenheit, Strenge gegen sich selbst und Güte für andere,
völlige Furchilosigkeit und zartestes Empfinden. Verwundete, die aus dem
Elsaß eintrafen, um in Godesberg und Brühl in den Lazaretten unter-
gebracht zu werden, erzählten von dem Sturm auf den Geißberg bei Weißen-
burg, ein von hohen und festen Mauern umgebenes Gehöft, in das sich die
Franzosen eingenistet und das sie durch Anbringen von Schießscharten in
ein natürliches Fort verwandelt hatten. Auf ungeschütztem Wege, der sich
über eine Viertelmeile hinzog, stieg das Königsgrenadier-Regiment (2. West-
preußisches Nr. 7) trotz verheerendem Infanterie- und Artilleriefeuer mit
vollkommener Ruhe und in bester Ordnung den Berg hinauf. Voran das
Füsilierbataillon, an seiner Spitze, hoch zu Pferd, der Major von Kaisen-
berg, ein großer, ungewöhnlich gut aussehender Offizier, der kurz vor dem
Beginn des Krieges seine schöne Braut, die Gräfin Karoline Strachwitz,
heimgeführt hatte. Massenhaft stürzten die Grenadiere. Tödlich getroffen
fielen drei Hauptleute. Es fällt, von einer Kugel getroffen, der brave Fahnen-
träger, Sergeant Heinrich, die Fahne fällt zur Erde. Major von Kaisenberg
springt vom Pferde, ergreift die Fahne und führt mit mächtigem Zuruf das
Bataillon an dem Gehöft vorbei, im Eilschritt hinauf zur Höhe. Die Fahne
wird von Kugeln durchlöchert, die Fahnenstange zersplittert. Kaisenberg
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