148 „BRIGADE, MARSCH-MARSCH!“
tiefsten Schmerzes, aber auch edler Gefaßtheit vergessen, mit dem ihr mein
Vater, als sie sich auf dem Pariser Platz trafen, gesagt habe: „Toutefois,
non pas comme je veux mais comme Dieu veut.“ Ein gütiges Telegramm
des Bundeskanzlers Bismarck an meinen Vater brachte ihm achtundvierzig
Stunden später die Nachricht, daß sein Sohn lebe. Mein Bruder war mit
dem ersten Zug seiner Schwadron vorausgeritten. An einer schmalen Brücke
angelangt, ließ er in heftigem Feuer zu dreien abbrechen und ritt mit
seinem Burschen, einem braven Polen namens Czeslak, und dem ältesten
Sergeanten über die Brücke. Beide fielen. Mein Bruder kam mit einer
leichten Verwundung davon. Bald nachher erging an beide Gardedragoner-
Regimenter der Befehl, gegen französische Infanterie vorzugehen, um
unserer Infanterie Luft zu machen.
Die 3. Garde-Kavalleriebrigade führte der Generalmajor Graf Wilhelm
Brandenburg, ein vorbildlicher Gardegeneral. Er war ein Sohn des
Ministerpräsidenten Brandenburg, dem Olmütz das stolze Preußenherz
brach und dessen Denkmal auf dem Leipziger Platz in Berlin steht,
gegenüber dem Denkmal von Wrangel. Der Ministerpräsident war ein Kind
der Liebe: die schöne Gräfin Sophie Dönhoff hatte ihn dem König Friedrich
Wilhelm II. geboren. Als ein atemlos heranjagender Generalstäbler dem
Generalmajor Graf Wilhelm Brandenburg auf dem Schlachtfeld von Mars-
la-Tour zurief, er möge sofort auf schwierigstem Terrain mit seiner Brigade
die französische Infanterie attackieren, machte ihn dieser mit der ihm
eigenen vornehmen Ruhe darauf aufmerksam, daß das so viel bedeute, wie
die Regimenter opfern. Der aufgeregte Major mit den breiten roten Streifen
ließ sich zu der Antwort hinreißen: „Dann macht sich die Gardekavallerie
doch endlich bezahlt!“ Ohne mit der Wimper zu zucken entgegnete der
Generalmajor Graf Brandenburg, nachdem er seine tadellos weißen Hand-
schuhe zugeknöpft und dann den Säbel gezogen hatte: „Ah! Das ist etwas
anderes. Brigade, Gewehr auf! Brigade Trab, Galopp, marsch-marsch !“
Und vorwärts ging es über Hecken und Gräben in mörderischem Infanterie-
feuer.
Bei dieser Attacke, die den gewünschten taktischen Erfolg hatte, unserer
Infanterie Luft zu machen, fielen die beiden Regimentskommandeure,
Oberst von Auerswald und Oberst Graf Finckenstein, der Major von Kleist,
der schöne Bruder der schönen Herzogin von Pleß, die Rittmeister Prinz
Heinrich XVII. Reuß, ein Bruder des damaligen Botschafters in Peters-
burg, späteren Botschafters in Konstantinopel und Wien, Graf Wesdehlen,
Graf Westarp, von Hindenburg, die Leutnants von Tresckow, Graf Schwe-
rin, Graf Solms-Sonnenwalde, Graf Hohenthal. Als König Wilhelm einige
Tage später die Regimenter wiedersah, liefen dem gütigen Herrn die Tränen
über die Wangen. Er wiederholte nur immer: „‚So viele brave Dragoner und