DIE UNBELIEBTEN „PREISSEN“ 151
präsident Graf Beust, der ungarische Ministerpräsident Graf Andrässy
und der österreichisch-ungarische Botschafter in Paris Fürst Richard
Metternich waren von Kaiser Franz Josef zu dieser Begegnung befohlen
worden. Kaiser Franz Josef erwiderte den Salzburger Besuch in Paris, wo
ihm zu Ehren ein glänzendes Bankett mit herzlichen Trinksprüchen der
beiden Kaiser im Pariser Stadthause, dem Hötel de Ville, stattfand, das in
vergangenen Jahrhunderten so viel Pracht und Macht gesehen hatte und
das kaum vier Jahre später in Flammen aufgehen sollte. Zwischen König
Wilhelm und Kaiser Franz Josef hatte seit dem Preußisch-Österreichischen
Kriege nur eine einzige persönliche Begegnung stattgefunden, am 22. Ok-
tober 1867, auf der kleinen badischen Station Oos, die Kaiser Franz Josef
auf der Reise von Wien nach Paris passierte und wohin König Wilhelm von
Baden-Baden, seinem gewohnten Herbstaufenthalt, gekommen war. Die
Entrevue dauerte nur zehn Minuten, sie verlief verlegen und frostig. Die
eigentlichen Allianzverhandlungen zwischen Paris, Wien und Florenz be-
gannen 1868. Kaiser Napoleon III. erhielt, wie Prinz Napoleon zehn Jahre
später enthüllte, in persönlichen Schreiben des Kaisers von Österreich und
des Königs von Italien die Zusicherung, daß im Fall eines Konfliktes
zwischen Frankreich und dem von Preußen geführten Norddeutschen Bund
Österreich-Ungarn und Italien „in wenigen Tagen“ und „ohne weiteres“ an
die Seite von Frankreich treten würden. Als österreichisch-ungarischer
Unterhändler bei diesen Allianzverhandlungen war neben dem Fürsten
Richard Metternich der Graf Karl Vitzthum tätig, ein sächsischer Diplo-
mat, den Beust, nachdem er selbst österreichischer Minister des Äußern ge-
worden war, in österreichische Dienste gezogen hatte und der die Pläne
seines Meisters mit Eifer, nicht ohne Geschick, jedenfalls mit völligem
Mangel an deutscher Gesinnung, vertrat und förderte. Zwischen den
Generalstäben von Frankreich, Österreich-Ungarn und Italien war vor dem
Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges viel verhandelt und verab-
redet worden.
Im März 1870 erschien der Führer der Kriegspartei in Österreich, zu-
gleich der beste österreichische Heerführer, der Sohn des Siegers von Aspern
und selbst der Sieger von Custozza, Erzherzog Albrecht, in Paris und
stellte im Auftrag des Kaisers Franz Josef für den Fall eines deutsch-fran-
zösischen Krieges dem Kaiser Napoleon die Waffenhilfe der habsburgischen
Monarchie in bestimmte Aussicht. Bald darauf wurde ein französischer
General, soweit ich mich erinnere der General Lebouf, von Paris nach Wien
geschickt, um den Besuch des Erzherzogs Albrecht zu erwidern. Die rach-
süchtige Wut gegen die seit jeher an der schönen blauen Donau unbeliebten
„Preißen“, der brennende Wunsch, die verlorene Vormachtstellung in
Deutschland wiederzugewinnen, hatte in Wien sogar die Abneigung gegen
Der Besuch
des Erzherzogs
Albrecht in
Parıs