DIE BAYRISCHE PATRIOTEN-PARTEI 159
König Ludwig Il., der mit demselben hochherzigen Idealismus, mit dem
er nicht lange vorher dem größten deutschen Komponisten, Richard Wag-
ner, die rettende Hand gereicht hatte, jetzt den Casus foederis anerkannte,
unbekümmert um das Toben der ultramontanen und demokratischen
Blätter, die sich auf das heftigste gegen einen Krieg an der Seite Preußens
wandten. Die Bevölkerung von München brachte dem edlen Fürsten für
seinen patriotischen Entschluß stürmische Huldigungen dar. Gleichzeitig
fanden in Nürnberg großartige Demonstrationen in nationalem Sinne statt.
Einen harten Kampf gab es noch in der Zweiten Bayrischen Kammer, deren
Mehrheit aus verbissenen klerikalen Partikularisten bestand, die sich (lucus
a non lucendo!) „„Patrioten“ nannten. Fürst Chlodwig Hohenlohe, als
Botschafter in Paris mein Chef, als Reichskanzler mein Amtsvorgänger, hat
mir mehr als einmal anschaulich den Verlauf der entscheidenden Sitzung
in der Zweiten Bayrischen Kammer geschildert, der er in der Loge der
Reichsräte beigewohnt hatte. Der Sonderausschuß der Zweiten Kammer
hatte sich mit sieben gegen zwei Stimmen für die Ablehnung der Regie-
rungsvorschläge (Bewilligung eines außerordentlichen Kredites von 5,6 Mil-
lionen Gulden für die Mobilmachung des bayrischen Heeres) entschieden
und mit sechs gegen drei Stimmen für bewaffnete Neutralität. Dieser
Beschluß wurde von dem Abgeordneten Jörg vertreten, dem Führer der
„Patrioten“ und Herausgeber der „Historisch-Politischen Blätter‘.
Jörg verstieg sich schon im Eingang seiner Rede zu der Behauptung, der
Streit zwischen Preußen und Frankreich liege außerhalb des Gebietes deut-
scher Integrität und Ehre. Die ganze gegenwärtige Verwicklung sei aus
preußischer Hauspolitik hervorgegangen. Auf der ersten Bank der Liberalen
saß der damals kaum vierunddreißigjährige Reichsfreiherr von Stauffen-
berg. Er entstammte einem Geschlecht, das vormals zu der reichsunmittel-
baren Ritterschaft in Franken und Schwaben gehört und schon bei den
Herzögen von Alemannien das Erbschenkamt bekleidet hatte. Er war aber
ein Edelmann nicht nur der Abstammung nach, sondern auch in der
Gesinnung. Als der Jörg so sprach, da erhob sich der Reichsfreiherr
von Stauffenberg, spuckte aus und drohte dem vaterlandslosen Gesellen mit
der Faust, indem er ihm das Wort „‚Bube“ zurief. Unbekümmert fuhr der
im Ehrenpunkt augenscheinlich nicht besonders empfindliche Jörg fort,
Preußen könne im Falle einer französischen Invasion, auch wenn es wolle,
Bayern gar keinen Schutz gewähren. Es wolle aber auch Bayern gar nicht
schützen. Mancher glaube sogar, daß Preußen Bayern absichtlich wehrlos
machen wolle, um es dann in Ruhe zu verspeisen. Dagegen habe der Herr
Herzog von Gramont feierlich erklärt, das edle Frankreich wolle keinen
Fußbreit deutschen Bodens erwerben, und insbesondere sei es bereit,
Bayern den Besitz der Pfalz zu garantieren. Als Jörg mit erhobener Stimme
Jörg