Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Baden 
Hessen: 
162 DALWIGK 
stellte in der entscheidenden Sitzung der Zweiten Württembergischen 
Kammer, am 21. Juli 1870, elegische Betrachtungen darüber an, daß 
Deutschland in Österreich der linke Arm zur Verteidigung fehle. Nachdem 
aber die Bayrische Kammer umgefallen sei, bleibe nur übrig, unter den 
preußischen Oberbefehl zu treten und sich am Kriege zu beteiligen. Große 
politische Diskussionen seien nicht mehr möglich, und es bleibe nichts mehr 
zu wünschen als der Sieg der deutschen Waffen. Die Kammer erklärte sich 
einstimmig für den Eintritt in den Krieg, wie das dem patriotischen 
Empfinden des schwäbischen Volksstammes entsprach, der einst des 
Reiches Sturmfahne getragen hatte. 
Kein deutscher Staat war durch einen deutsch-französischen Krieg 
unmittelbarer bedroht als das Großherzogtum Baden. Überdies hatte der 
Duc de Gramont dem badischen Gesandten in Paris durch seinen Kabinetts- 
chef, den Baron de Ring, sagen lassen, wenn Baden gegen Frankreich ginge, 
würde es verwüstet werden wie die Pfalz unter Louis XIV, selbst die 
Frauen würden nicht geschont werden. „M&me les femmes ne seront pas 
epargnees“, so sprach zu dem badischen Gesandten am Tuilerienhofe der 
Baron de Ring, ein Elsässer, dem ich sechs Jahre später als Erstem Sekretär 
der Französischen Botschaft in Wien begegnet bin. 1870 konnten die 
Franzosen ihre Drohungen nicht ausführen. Als sie aber fünfzig Jahre 
später uns mit Hilfe beider Hemisphären überwältigt hatten, mußten 
deutsche Frauen erfahren, welcher Schandtaten die schwarze französische 
Soldateska fähig war. Die Drohungen des Barons de Ring und des Duc 
de Gramont prallten wirkungslos ab an der nationalen Gesinnung der 
wackeren Alemannen am Rhein und ihres edlen Großherzogs Friedrich. 
Die Hessen des Großherzogtums standen an Patriotismus den Badenern 
nicht nach, aber ihr Großherzog Ludwig III. erinnerte an die traurigen 
Fürstengestalten der Rheinbundzeit. Er hatte dem französischen Gesandten 
in Darmstadt, dem Grafen d’Astorg, nach 1866 gesagt: „Wenn Kaiser 
Napoleon mich von den Preußen erlöst, so trete ich ihm freudig Mainz 
ab.“ Ein französisches Sprichwort lautet: „Tel maitre, tel valet.‘“ Der 
Minister des Großherzogs Ludwig III., der Freiherr von Dalwigk zu 
Lichtenfels, war eines solchen Herrn würdig. Als die französische Kriegs- 
erklärung an den Norddeutschen Bund erfolgt war, dem Hessen mit seinem 
Gebiet nördlich des Mains angehörte, verbot Dalwigk patriotische Demon- 
strationen in Darmstadt mit der Begründung, man dürfe die Franzosen 
nicht reizen, die Rothosen könnten ja in einigen Tagen in Darmstadt 
stehen und ihre Rosse in der Darm tränken. Als Gott unserer gerechten 
Sache den Sieg geschenkt hatte, schwenkte Dalwigk um und unterbreitete 
dem früher von ihm gehaßten Bismarck Denkschriften, in denen eine 
gründliche und radikale Unifizierung Deutschlands gefordert wurde.
	        
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