Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BALLPLATZ UND JOCKEYKLUB 163 
Insbesondere dürfe Bayern keine Sonderstellung noch irgendwelche Bevor- 
zugung eingeräumt werden. Da aber ungefähr um dieselbe Zeit von deut- 
schen Truppen auf einem Landsitz des französischen Ministers Rouher 
versteckte geheime Briefschaften gefunden wurden, aus denen hervorging, 
daß der darmstädtische Ministerpräsident bis zum Ausbruch des Deutsch- 
Französischen Krieges in landesverräterischem Verkehr mit dem Tuilerien- 
hofe gestanden hatte, so glaubte Bismarck nicht an eine ehrliche Bekehrung 
des Freiherrn von Dalwigk und bestand auf dessen Rücktritt. 
Dalwigk ist 1880, vergessen und verachtet, in Darmstadt gestorben. 
Er starb nur wenige Monate nach Heinrich von Gagern, der, nachdem 
auf seinen Antrag am 28. März 1849 die Deutsche Nationalversammlung 
in der Frankfurter Paulskirche die Übertragung der erblichen Kaiserwürde 
an den König von Preußen beschlossen hatte, sich 1864 von Dalwigk 
verleiten ließ, den hessisch-darmstädtischen Gesandtenposten in Wien 
zu übernehmen und dort auch nach 1866 im Preußen feindlichen groß- 
deutschen Sinne zu wirken. 
Zum erstenmal im Verlauf seiner langen, wechselvollen, oft tragischen 
Geschichte stand das deutsche Volk seinem alten Feinde, dem Franzosen, 
einig gegenüber: einig die Fürsten, einig die Stämme vom Meer bis zu den 
Alpen. Nun galt es, zu verhindern, daß Österreich und Italien, in Aus- 
führung der von ihnen eingegangenen Verpflichtungen, Frankreich zu Hilfe 
kamen, bevor dessen Widerstand in der Hauptsache gebrochen war. In 
Wien stand die Entscheidung auf des Messers Schneide. Unser dortiger 
Vertreter, der General von Schweinitz, hat mir später oft erzählt, daß 
er sich im Sommer 1870 in Wien wie in Feindesland fühlte. Der Hof, die 
Gesellschaft, die Generalität trugen ihre franzosenfreundliche Gesinnung 
offen zur Schau. Beust hatte der Französischen Botschaft im K.und K. 
Ministerium des Äußern einige Zimmer eingeräumt, damit sie dort ihre 
Freunde, Agenten und Spione empfangen und selbst von ihm mit den 
direktesten Nachrichten versehen werden konnte. Der französische Bot- 
schafter verbrachte ganze Tage am Ballplatz, seine Sekretäre, insbesondere 
der mit einer Dame des österreichischen Hochadels, der Gräfin Therese 
Kinsky, verheiratete Baron Otto Bourgoing, dominierten im Kasino und 
im Jockeyklub. Im Volksgarten, wo sich die Wiener vornehme Welt im 
Sommer abends zu treffen pflegte, begegneten die „Preißen“ nur feindlichen 
Blicken. Täglich hörte die deutsche Vertretung von deutschfeindlichen 
Äußerungen der Erzherzöge, der einflußreichsten Generäle, wie John, Kuhn, 
Clam-Gallas, der österreichischen Diplomaten, des Kaisers selbst. Die 
erbittertsten Preußenfeinde saßen im Ministerium des Äußern, meist 
Konvertiten wie der Nassauer Max von Gagern und der Kurhesse Meysenbug, 
ein Bruder von Malwida, die den aus einer strengkatholischen Familie 
11° 
In Wien
	        
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