Bismarck
und der
Erbprinz
Der
Eindruck
des Siegs
168 AM ABEND VON SEDAN
Preußen auf seinen jetzigen Höhepunkt gebracht. Lassen Sie uns trinken
auf das Wohl der drei von mir Genannten, auf das Wohl der Armee und
jedes einzelnen, der nach seinen Kräften zu den bisherigen Erfolgen
beigetragen hat.‘ Als das Abendessen zu Ende war, äußerte der alte Herr
mit dem ihm eigenen gutmütigen Humor zu dem Erbprinzen Leopold
von Hohenzollern: „Du bist eigentlich der Macher von das Ganze, wie die
Berliner sagen, ohne dich hätten wir Sedan nicht erlebt.“
Als spät am Abend die Teilnehmer an dem Essen in der Dunkelheit ihre
Quartiere aufsuchten, von einer einzigen Laterne schwach beleuchtet, einer
hinter dem andern im Gänsemarsch, entwickelte Bismarck unter Bezug-
nahme auf diese scherzhafte Äußerung des Königs den anderen Herren,
wie töricht der Kaiser Napoleon, die Kaiserin Eugenie, Gramont und
Ollivier gewesen seien, aus der Thronkandidatur des Erbprinzen von
Hohenzollern eine ernste Streitfrage zu machen und deshalb den Krieg zu
entzünden. Er fügte hinzu: „Wäre der Erbprinz Leopold wirklich nach
Madrid gegangen, so würde er, wie andere ins Ausland gezogene deutsche
Prinzen, dort nicht deutsche, sondern nur spanische Politik gemacht haben,
womöglich gegen uns.“ Plötzlich hörte der Bundeskanzler eine protestierende
Stimme. Es war der Erbprinz Leopold, der nicht ohne Gereiztheit erklärte,
er würde auch im Ausland nie vergessen haben, daß er ein Deutscher, ein
Hohenzoller und preußischer Offizier sei. Bismarck bat um Entschuldigung:
er habe in der Dunkelheit nicht gewußt, daß er die Ehre habe, in der Nähe
Seiner Königlichen Hoheit zu gehen, an dessen Patriotismus er nicht
zweifle. So erzählte mir viele Jahre später der Bruder des Erbprinzen
Leopold, der König Carol von Rumänien. Und doch hat im letzten Ende
auch hier Bismarck rechtbehalten. Im Weltkrieg hat der zweite Sohn eben
dieses Erbprinzen Leopold von Hohenzollern, der König Ferdinand von
Rumänien, durch Anschluß an die Entente sein deutsches Vaterland
preisgegeben, der Uniform des 1. Garderegiments, die er getragen hatte,
Unehre gemacht und sich selbst von allen Deutschen für immer losgesagt.
Aber wer hätte am 2. September 1870 die Situation vom August 1916
vorausgesehen ? Wer hätte im September 1870, nach einem Siege, der in
seinem Ausmaß an die Peripetie der Tragödien des Äschylos gemahnte und
alle Völker der Erde mit dem ehrfürchtigen Staunen erfüllte, das ein
Naturereignis hervorruft, der immer die Phantasie beschäftigen wird, den
Verrat von 1916 geahnt?
Als ich 1884, damals Erster Sekretär der Botschaft in Paris, in Tunis
weilte, erzählte mir unser dortiger Konsul, der Afrikareisende Nachtigal,
er habe im Winter 1870/71 auf einer Forschungsreise in Bornu geweilt,
einem mohammedanischen Negerreich im mittleren Sudan, von jeder Ver-
bindung mit Europa völlig abgeschnitten. Da hätten Eingeborene ihm