Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DIE OFFIZIERE 181 
liest, sich nicht durch Enttäuschungen, Schwierigkeiten und Hindernisse, 
durch den ihm in tausend Formen entgegentretenden Widerstand der 
stumpfen Welt entmutigen läßt. „Die Folgezeit verändert viel und setzet 
jeglichem sein Ziel“, heißt es in dem schönen und wahren Liede des frommen 
Georg Neumarck (‚Wer nur den lieben Gott läßt walten“). 
Die Vertretung des Majors von Schreckenstein übernahm im August 
1870 der Premierleutnant von Stoltzenberg, der mir ein wohlwollender 
Vorgesetzter war. Wie ich später erfuhr, hat er an den im Felde befindlichen 
Regimentskommandeur anerkennend über mich berichtet und hierbei der 
Überzeugung Ausdruck gegeben, daß der Einjährige von Bülow das Zeug 
zu einem guten Husaren-Offizier habe. Er schrieb auch in diesem Sinne an 
meinen Vater. Ein schweres inneres Leiden zwang den Freiherrn von 
Stoltzenberg, der seit elf Jahren im Regiment stand und sich allgemeiner 
Wertschätzung erfreute, im November 1870 das Kommando der Eskadron 
an den Sekondleutnant von Schlichting abzugeben. Schlichting war ein 
flotter Husar, schneidig und findig, streng im Dienst, gemütlich nachher. 
Er hatte 1866 mitgemacht, und es war eine Freude, ihm zuzuhören, wenn 
er von dem Einmarsch in Sachsen und Österreich, von dem Biwak im 
Großen Garten zu Dresden bei strömendem Regen, wenn er von Hühner- 
wasser, Münchengrätz und Prasek, wenn er von Königgrätz erzählte, und 
daß keine preußische Truppe näher an Wien herangeritten sei als die 
Königshusaren, die am 30. Juli 1866 vom Hohen Leuthen aus die Kaiser- 
stadt vor sich gesehen hätten mit dem hochragenden Stefansturm. Auf den 
Husarensäbel Schlichtings habe ich, da die Regimentsstandarte mit dem 
Regiment ins Feld gezogen war, dem König von Preußen Treue geschworen. 
Und kein Besserer konnte mir den Eid abnehmen. Wir haben uns während 
meiner Ministerzeit öfter wiedergesehen. Als Großgrundbesitzer in der 
Provinz Posen gehörte Schlichting dem Herrenhause als erbliches Mitglied 
an. Ich habe viel mit ihm über ostmärkische Angelegenheiten konferiert. 
Er war mir nicht nur ein treuer persönlicher, sondern auch ein kluger 
politischer Freund. 
Am 31. Oktober 1870, um Mitternacht, wurden wir auf dem Bonner 
Bahnhof verladen, meine hellbraune Stute, die Grete, und ich. Die Grete 
leidlich bequem in einem Pferdewagen, ich mit vielen anderen Husaren 
eingekeilt in ein Coupe, in drangvoll fürchterlicher Enge, wie die Pappen- 
heimer, als Max Piccolomini sie zum Sturm auf das Neustadter Lager 
führte. Unsere Eisenbahnfahrt von Bonn nach Saarbrücken war einfach 
fürchterlich. Wer das nicht glauben will, der soll einmal in einem langsam 
fahrenden, alle halbe Stunde haltmachenden Zug, in einem überfüllten 
Coupe, in engen, viel zu engen Husarenstiefeln achtzehn Stunden regungslos 
ausharren. Ich weiß nicht, welcher große Denker gesagt hat, daß keine 
Eskadrons- 
Komman- 
danten 
Einwaggo- 
niert nach 
Metz
	        
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