Rittmeister
v. Niesewand
184 DER HEILIGE FRANZ
Häusern. Die Kathedrale recht schön, im gotischen Stil. Alle Läden waren
offen, z. T. sehr elegant. Die Straßen wimmelten von französischen Soldaten.
Damen sah man nur in Schwarz. Sehr hübsch sind die Quais an der Mosel. Wir
ritten bis Chazelles, einem kleinen Dorfe auf einer Anhöhe unter dem Fort
Saint-Quentin. Gestern kamen wir hierher. Betten haben wir natürlich
nicht, sondern, wenn es gut geht, Strohsäcke. Auch behält man die Kleider
immer an, was aber gar nicht unangenehm ist. Ich fühle mich sehr wohl.
Schickt mir, wenn es geht, Viktualien, Schokoladetafeln und Liebig (ist
das Beste, weil Konzentrierteste), vielleicht auch ein Büchschen Sardinen.
Wahrscheinlich rücken wir morgen mit Infanteriebedeckung auf Reims zu.
Ängstigt Euch bitte nur nicht um mein Befinden, das sehr gut ist. Tausend
Grüße an alle. Ich bin mit allem wohl versorgt, doch wären mir Viktualien
ganz lieb. Von meinem Quartier habe ich hier prächtige Aussicht auf Metz
mit Kathedrale und Wällen.““
Mein Eskadronchef, der Rittmeister Franz Maria von Niesewand,
schimpfte in der Tat recht viel. Das hing mit seinem schlechten Avancement
zusammen, das ihn wurmte. Er war schon 1849 bei den Gardedragonern in
Berlin eingetreten, hatte aber 1852 seine früher begonnenen Studien
wieder aufgenommen, das Referendar-Examen bestanden und am Land-
gericht in Koblenz gearbeitet. 1856 war er nach nochmaligem, diesmal
endgültigem Berufswechsel als Leutnant beim 7. Husaren-Regiment ein-
gestellt worden. Er hatte 1867 eine Schwadron erhalten, die er während des
ganzen Krieges treu und gewissenhaft führte. Er war kaum zwei Jahre
jünger als der Oberst von Lo&, der schon vor der Brigade stand. Niesewand
polterte viel, aber er war ein kreuzbraver Mann. Er war ein frommer
Katholik und hieß deshalb beim rheinischen Adel der heilige Franz. Ich
bin dem guten Niesewand, der es mit Hängen und Würgen bis zum Kom-
mandeur der 13. Husaren gebracht hat, viele Jahre später — er war schon
lange pensioniert — bei dem schönen Fest wiederbegegnet, das am
18. Juni 1902 die Stadt Bonn ihren blauen Husaren gab. Der wackere
Mann, der inzwischen 72 Jahre alt geworden war, frug mich, ob ich es ihm
als Reichskanzler verargte, daß er mich, als ich bei seiner Schwadron stand,
ab und zu angeschnauzt habe. Ich entgegnete ohne einen Augenblick des
Besinnens: „Ich bin Ihnen im Gegenteil von Herzen dankbar. Wenn Sie
mich damals nicht fest angepackt und auf diese Weise einen ordentlichen
Husaren aus mir gemacht hätten, wäre ich nie Kanzler des Deutschen
Reiches geworden.“ Das freute den „heiligen Franz“.
Als das Ersatz-Kommando vor Metz eintraf, herrschte bei dem Regiment
eitel Freude, endlich aus dem Moseltal fortzukommen. Bei Spichern und in
den großen Schlachten um Metz hatte das Regiment zu seinem Schmerz
keine Gelegenheit zum Eingreifen gehabt. Während der Belagerung von