Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Alarm 
Die Fran- 
zosen flüchten 
208 | VOM PUTENBRATEN WEG 
Pferden entstanden sind. So sehr ich die Entschlossenheit unserer Leute 
anerkenne, welche trotz aller Erfahrungen rücksichtslos in die Dörfer hin- 
einreiten, so gebietet doch die praktische Klugheit, daß wir, um unnötige 
Verluste zu vermeiden, dem feindlichen System die Spitze abzubrechen ver- 
suchen.“ Es hieß dann weiter, daß das Absuchen besetzter Dörfer bei ge- 
mischten Detachements Sache der Infanterie sei. Die Husaren hätten am 
besten durch Umreiten verdächtiger Örtlichkeiten nur zu konstatieren, ob 
der Feind in dem Dorf stecke. Der Oberst von Lo& hatte sich über die 
Findigkeit seiner rheinischen Husaren nicht getäuscht. Die Einzelverluste 
nahmen in den nächsten, besonders schwierigen Tagen ab. Und die Mel- 
dungen blieben zuverlässig und schnell. 
Am 2. Januar kam die Meldung von dem Anmarsch starker französischer 
Kolonnen. Ich saß gerade bei einem prächtigen Putenbraten, zu dem mich 
mein Leutnant eingeladen hatte. Dieser Leutnant, Graf Ernst Steinberg, 
war der letzte männliche Sproß einer alten niedersächsischen Familie. Er 
verband die guten Formen des Hannoveraners mit der fröhlichen Art des 
Rheinländers, die ihm während der vier Jahre, die er schon in Bonn verlebt 
hatte, sympathisch geworden war. Steinberg und ich wurden ein Jahrzehnt 
später Kollegen in Paris, er als Attache, ich als Sekretär der Botschaft. Ich 
habe selten einen liebenswürdigeren Mann gekannt. Während dieser beste 
aller Menschen sich mit mir die französische Pute, kräftig begossen mit 
gutem Landwein, schmecken ließ, wurden wir alarmiert. Oberst von Lo& 
formierte aus einem Zug der 1. Eskadron, leider nicht aus dem Zuge, in dem 
ich ritt, und aus dem Vorpostenzuge der 2. Eskadron eine halbe Eskadron 
und befahl dem Leutnant Graf Pourtal&s, sie nach der Höhe östlich 
Sapignies zu führen und sich dort zur Verfügung der Artillerie zu halten. 
Als bald nachher unsere Artillerie durch vordringende französische Infan- 
terie in arge Bedrängnis geriet, wandte sich der Abteilungskommandeur um 
Hilfe an die beiden Husarenzüge, die hinter einer Terrainfalte standen. Graf 
Pourtal&s zögerte keinen Augenblick. „Zur Attacke, marsch, marsch !“ er- 
scholl sein Kommando, und in Karriere warf sich die Schwadron auf den 
Feind, die Offiziere weit voraus, hinter ihnen mit Hurra die fünfzig Husaren. 
Was sie nicht niederritten, flüchtete in wilder Hast. 
Der Angriff überraschte derart den Feind, daß aus seinen Kolonnen an- 
fangs kein Schuß fiel. Graf Pourtalös sammelte seine Husaren und führte 
sie im Schritt zurück, begrüßt von dem freudigen „Lehmop!“ der Artillerie, 
die sofort Front gemacht hatte und Lage um Lage in den Feind schickte. 
Die Kompagnie Achtundzwanziger ging wieder vor. Einen Moment noch 
standen die Franzosen, dann flüchteten sie zurück in voller Auflösung. Mit 
rascher Entschlossenheit nützte General von Kummer diesen Augenblick: 
„Das Ganze avancieren!“ klang das Signal. Die Infanterie warf unter
	        
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