LOLA BONTON 221
Mein Regimentskamerad und Freund Guido Nimptsch hatte von seinem
Vater den Schneid, den leichten Sinn und leider auch die Spielpassion
geerbt, von seiner Mutter, der Gräfin Franziska Hatzfeld-Trachenberg,
die Schönheit. Noch viele Jahre später pflegte die Kaiserin Friedrich von
ihm zu sagen: „Guido von Nimptsch is the best looking man in Berlin.“
Da er nicht nur very good looking, sondern auch very intelligent war, so
lag eine schöne militärische Zukunft vor ihm, und er war kurz vorher zur
Dienstleistung beim Großen Generalstab kommandiert worden, als er im
Berliner Unionsklub im Kartenspiel in einer Nacht eine seine Verhältnisse
weit übersteigende Summe verlor. Da seine Eltern kein Vermögen besaßen
und seine reichen Verwandten nicht für ihn einspringen wollten, blieb ihm
nichts anderes übrig, als den Militärdienst zu quittieren und auszuwandern.
Sein plötzliches Scheiden von Berlin versetzte zwei Frauen in tiefe Trauer:
eine für ihre Schönheit und ihren Geist berühmte Dame der Hofgesellschaft
und eine reizende Kokotte, die sich gleichzeitig in Guido verliebt hatten.
In ziemlich abenteuerlicher Fahrt gelangte er aus Hartlepool, wo er in
einem Kohlengeschäft Anstellung als Kommis gefunden hatte, über den
Kongo und den Panama-Kanal, wo er sich als Aufseher betätigte, über
Mexiko, wo er, ein vorzüglicher Reiter, wilde Pferde zuritt, nach New York,
wo er sich zunächst als Kutscher eines Rollwagens sein Brot verdient haben
soll. Allmählich kam er wieder in die Höhe. Mehr als das. Er eroberte das
Herz einer reizenden Amerikanerin, Miß Lola Bonton, der gefeiertsten
Soubrette von New York. Er heiratete sie und kehrte mit ihr nach Europa
zurück. Gleichzeitig erhielt er den Posten des Vertreters einer großen
amerikanischen Versicherungsgesellschaft in Berlin. Es gelang ihm dort
bald, sich durch seine Liebenswürdigkeit und seine perfekten Formen eine
gute gesellschaftliche Stellung zu machen. Er lebte auch in glücklichster
Ehe, als er eines Abends, nach Hause zurückgekehrt, erfuhr, daß seine Frau
eine Stunde vorher das Haus verlassen hätte. Der ihm vom Diener über-
gebene Brief der teuren Gattin lautete etwa folgendermaßen: „Mein süßer
Guido, ich habe nie einen Mann so geliebt wie Dich und werde nie einen
Mann so lieben wie Dich. Da Du aber leider nicht die Mittel hast, meine
berechtigten Ansprüche auf Komfort und Luxus zu befriedigen, so habe ich
mich von dem steinreichen Nostitz entführen lassen.“
Graf Nostitz war Militärattach@ der russischen Botschaft in Berlin.
Er heiratete die von ihm entführte Lola und wurde nach seiner Heirat als
Militärattache nach Paris versetzt. Dort erklärte seine neue Chefeuse, die
Gattin des russischen Botschafters Nelidow, daß sie die Gräfin Lola im
Hinblick auf ihre bewegte Vergangenheit nicht empfangen würde. Sobald
Guido Nimptsch das erfuhr, reiste er nach Paris und ließ den Botschafter
Nelidow fordern, weil dessen Gattin es gewagt habe, die frühere Frau von
Graf Nostiütz