Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

232 TOTAL ERSCHÖPFT 
So hatten die Königshusaren den Tag von Saint-Quentin würdig 
eröffnet. Die 4. Eskadron war noch südlich Savy mit Rangieren beschäftigt, 
als Oberst von Lo& mit unserer 1. Eskadron, die aus dem Gros der Divisionen 
vorgetrabt war, dort eintraf. Die weitere Aufklärung über Savy hinaus 
übernahm nun der Rittmeister Niesewand. Schon aus dem kleinen Gehölz 
östlich des Dorfes erhielten wir Feuer und meldeten die starke Besetzung 
dieses Abschnittes durch Infanterie. Der Brigade-Kommandeur, Oberst 
von Bock, zog die Artillerie vor und ließ die Avantgarde sich entwickeln. 
Unsere 1. Eskadron folgte unter dem Befehl des Oberst von Lo& der Angriffs- 
bewegung auf dem rechten Flügel. Da der 29. Brigade sehr starke feindliche 
Massen gegenüberstanden, kam das Gefecht hier zum Stehen. In einem 
Geschützkampf überwand unsere Artillerie allmählich die gleichfalls wacker 
schießenden französischen Batterien. Meine 1. Eskadron mußte stundenlang 
in einer Mulde halten, bis der General von Goeben, der bis dahin auf der 
Straße nach Saint-Quentin gehalten und von dort aus die Schlacht gelenkt 
hatte, unsere „Couleur“, die Achten Jäger, nebst zwei Bataillonen Acht- 
undzwanziger unter dem Kommandeur der Jäger, Major von Bronikowski, 
das Dorf Epine de Dallon stürmen ließ. Gleichzeitig gingen die 29. Brigade 
und die 1. Division vor. Der Feind wurde vor unseren Augen auf der ganzen 
Linie geworfen. 
Als die Dunkelheit hereinbrach, waren die Franzosen überall in vollem 
Die franz. Rückzug, unsere 15. Division stand unmittelbar vor der Stadt, deren ver- 
sische Nord- barrikadierte Eingänge die Franzosen noch hartnäckig verteidigten. Kurz 
armee besiegt nach fünf Uhr drangen die Schützen der Achtundzwanziger in die ersten 
Häuser der Vorstadt ein. Das Bataillon und unsere Schwadron folgten. Wir 
gelangten bis auf den Marktplatz von Saint-Quentin. In kurzer Zeit griffen 
wir in den Straßen und Häusern Hunderte von Gefangenen auf. Unsere 
Schwadron kantonierte die Nacht in der Vorstadt Saint-Quentin. Es war 
mir ein pikantes Gefühl, in einer französischen Stadt von fast fünfzig- 
tausend Einwohnern, in der es noch von französischen Soldaten wimmelte, 
zu übernachten. Wir waren alle von dem frohen Gefühl erfüllt, daß wir die 
französische Nordarmee völlig geschlagen hatten. Und sie befand sich in der 
Tat in eiligem Rückzug nach Norden. Sie noch am Abend zu verfolgen, 
verbot die totale Erschöpfung der deutschen Truppen. Sie waren seit sechs 
Uhr früh in der Bewegung, meist querfeldein, vielfach in knietiefem Acker- 
boden, immer im Gefecht, fast gänzlich ohne Verpflegung. So mußte der 
General von Goeben die direkte Verfolgung auf den nächsten Tag ver- 
schieben. 
Wenn der Tag von Saint-Quentin mir wieder vor Augen steht, so denke 
ich gern daran, daß ich als Reichskanzler Gelegenheit hatte, dem Ritt- 
meister Rudolphi einen Dienst zu leisten. Bald nach meiner Ernennung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.