Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DIE HEERSCHAU IN DER PICARDIE 241 
Armeekorps, die Infanterie präsentierte, die Trommeln und die Musikkorps 
fielen ein. Und ein gewaltiges dreifaches Hurra aus vierzigtausend deutschen 
Kehlen brauste dem Kronprinzen entgegen. Wie sollte ich je dieses Tages 
vergessen, dieser Heerschau vor dem Kronprinzen von Preußen und des 
Deutschen Reiches, dort in der Picardie, dicht an den steilen Höhenrändern 
der Hallue, wo wir in den Weihnachtstagen gekämpft hatten, im Angesicht 
der alten Hauptstadt Amiens. Wie sollte Deutschland je den Kaiser Fried- 
rich vergessen, der durch sein ganzes Leben in Freud und Leid, in jeder 
Lage zwei große Mannestugenden betätigt hat: Er war durch und durch 
wahr, und er war ganz furchtlos. Mit leuchtendem Blick folgte jeder Mann 
im Gliede dem geliebten Königssohn, dem Sieger von Weißenburg und 
Wörth, als er die glänzende Front hinunterritt. Die ganze deutsche Ver- 
gangenheit stieg vor meinem Geiste auf: Theoderich und Alarich, Roland, 
der bei Roncesvalles fiel, und Siegfried, der den Drachen schlug, Hein- 
rich III. der Salier und Heinrich VI. der Staufer. 
Auch diese beiden Kaiser starben zu früh, wie Kaiser Friedrich. Beim 
Vorbeimarsch unseres Regiments, der in halben Eskadronen stattfand, er- 
hob sich plötzlich bei der gesamten Infanterie des Korps, die seitwärts her- 
ausgezogen war, ein brausendes „Lehm op!“, angestimmt von den rheini- 
schen Jägern und gern aufgenommen von allen anderen Truppen. Auf die 
Frage des Kronprinzen nach der Bedeutung des Jubels, meldete ihm der 
Generalleutnant von Barnekow, der Ruf „Lehm op!“ gelte den Königs- 
husaren, und in dem stürmischen Ruf werde dem Regiment die An- 
erkennung für die den anderen Waffen geleisteten guten Dienste aus- 
gedrückt. In den Reihen des Regiments ritten an jenem denkwürdigen 
Tage vier Offiziere, die in späterer Zukunft den hohen Orden vom Schwar- 
zen Adler tragen sollten: der Oberst von Lo&, der Premierleutnant Moßner, 
die Secondleutnants von Deines und von Bülow. In den nächsten Tagen 
rückten wir über Longeau nach Salonelle und Saleux. Dort wurden auf 
Befehl des Obersten in den Eskadrons Reitabteilungen formiert. Fortan 
wurde morgens in Klasse geritten oder zu Pferde in der Schwadron exer- 
ziert. Am Nachmittag wurde zu Fuß exerziert oder geturnt. 
Das Verhältnis der Husaren zu den Bauern der Picardie war ganz 
gemütlich. Bei den Feldarbeiten half der Husar dem Landmann. Der 
Bauer verstand, was der deutsche Soldat meinte, wenn er die Worte sprach: 
„Pain“, „vin“, „avoine“, „„foin“. Der Soldat gebrauchte auch gern die Lieb- 
lingsredensart des französischen Bauern: „‚Malheur, malheur pour nous, 
malheur pour vous, malheur pour tout le monde.‘ Über meine Equipierung 
schrieb ich nach Hause: „‚Dieselbe ist sehr schön, kostet aber heidenmäßig 
viel Geld. Sobald ich die Rechnungen zusammen habe, werde ich sie Euch 
schicken. Zu Nutz und Frommen meiner jüngeren Brüder will ich die 
16 Bülow IV 
Unter fran- 
zösischen 
Bauern
	        
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