Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Dem 
Rheine zu 
Eine Lektion 
254 DIE BEIDEN JÖTTER 
Herrn von S. sekundieren und warte in Ruhe ab, ob der Erzbischof ihn 
exkommunizieren würde. Konfessionelle Zänkereien waren ıhm zuwider, in 
der Armee duldete er sie nicht. Er zitierte mit Vorliebe ein Wort des für 
seine Originalität bekannten Generals von Petery, der unter Friedrich 
Wilhelm IV. Kommandant von Spandau war. Petery war Katholik, seine 
Frau war evangelisch. Als die Frau Generalin ihren Gatten frug, in welche 
Kirche sie an Königs Geburtstag gehen solle, in die evangelische oder die 
katholische, erwiderte der würdige Gatte: „Zu welchem von die beiden 
Jötter du beten willst, Minna, det is janz jleich, wenn du nur tüchtig für 
Seine Majestät betest.“ 
Der Feldmarschall von Lo& hat in jeder Richtung einen großen Einfluß 
auf mich ausgeübt. Bei einer der letzten Unterredungen, die er als Regi- 
mentskommandeur im Frühjahr 1871 vor seiner Abreise nach Frankfurt 
mit mir hatte, sprach er mir die Hoffnung aus, daß ich bei der Armee 
bleiben würde. Er empfahl mir, Clausewitz zu studieren. „Sein Buch über 
Krieg und Kriegführung ist für den Soldaten das, was das Corpus juris für 
den Juristen, die Bibel für den Theologen ist.“ Und als ich Reichskanzler 
geworden war, meinte er halb im Scherz, halb im Ernst: „Als Kriegs- 
minister oder als Chef des Militärkabinetts hätte ich Sie noch lieber gesehen 
und am liebsten vorher als Kommandeur unseres alten Regiments.“ 
Am]. Juni trat unser Regiment unter dem interimistischen Kommando 
des Majors von Dincklage den Rückmarsch nach dem Rhein an. Am 
4. Juni schrieb ich meinen Eltern: „Es beginnt jetzt der Rückmarsch auf 
der ganzen Linie, namentlich durch Amiens werden zwei Korps defilieren: 
das VIII., das zum größten Teile zwischen Abbeville und hier stand, und 
das I., das in Rouen und Dieppe disloziert war. Das Oberkommando wird 
aufgelöst und statt des Generalkommandos des VIII. Armeekorps (General 
Barnekow) kommt das Generalkommando des I. Armeekorps (General 
Bentheim) hierher. Es ist auf diese Weise für mich hier leidlich viel zu tun 
und mehr Schreiberei als sonst. Es ist mir der Befehl zugegangen, bis zum 
7. hujus hierzubleiben und dann dem Regiment nachzugehen. Doch will 
der General Ruville mit Goeben sprechen, um mich noch ein paar Tage 
länger hierzubehalten, zumal das ganze Somme-Departement schwerlich 
noch lange besetzt bleiben wird. Es ist mir dies auch ganz recht, wenn ich 
nur zur rechten Zeit zum Einzug nach Bonn zum Regiment komme. Gefahr 
ist aber nicht, da der Rückzug sicher drei Wochen dauern wird.“ 
General von Barnekow hat mir gelegentlich eine Lektion erteilt, die 
nicht nur durchaus berechtigt war, sondern mir auch für mein ganzes Leben 
nützlich gewesen ist. Ich hatte den General von Ruville und seine Gattin 
zur Kirche begleitet. Als der Gesang begann, bat mich Frau von Ruville, 
die ihr Gesangbuch vergessen hatte, ihr ein solches zu besorgen. Ich ging
	        
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