258 AM DEUTSCHEN STROM.
schüssen zu empfangen. Wir passierten einige sehr hübsche Partien, nament-
lich Manderscheid mit zwei malerischen Ruinen, ehemals fürstlich Salm-
schen Schlössern und in der Revolution 1793 zerstört. Heute kamen wir an
zwei Seen vorbei, die früher Krater eines Vulkans gewesen sein sollen, wie
denn die Eifel überhaupt vulkanisch ist. Morgen passieren wir das Ahrtal,
übermorgen sollen wir in Bonn einziehen, also am 6. Juli. Am 2. November
ging ich von Bonn fort, von Courcelles bei Metz aus sind wir marschiert
über Metz, Varennes, Reims, Soissons, Compiegne, Montdidier, Moreuil,
Amiens nach Rouen und Pont Audemer, von Rouen zurück nach Mont-
didier, von da über Amiens, Albert, Bapaume bis nach Cambrai und dann
über Peronne zurück bis nach Bray, von Bray nach Saint-Quentin und von
da wieder nach Bapaume, von da über Amiens und Mollien-Vidame nach
Gaille-Fontaine und Treport, von Treport und Eu nach Abbeville und von
da nach Amiens, von hier wieder nach Chaulnes und PEeronne und zurück
nach Amiens, von da endlich über Saint-Quentin, Guise, Vervins, Mezieres,
Sedan, Montmedy, Longwy, Thionville, Sierk, Trier nach Bonn. In der
letzten Zeit hatten wir fast fortwährend Regenwetter, doch war es heute
besser. Von Bonn werde ich Euch gleich schreiben, auch werde ich natürlich
sehen, ob ich nicht einen kleinen Urlaub bekommen kann. Hier liege ich
mit meinem Zuge in zwei kleinen Dörfern, in der Nähe der kleinen Stadt
Adenar. Ich habe recht gutes Quartier bei einem fünfundachtzigjährigen,
noch sehr rüstigen Mann, der, als Untertan des Grafen Salm in der da-
maligen Grafschaft Salm geboren, die französische Zeit erlebt hat und von
1810 bis 1814 in Spanien beim 37'®m® de Ligne gestanden hat. Entschuldigt
die schlechte Schrift und das schmutzige Papier. Euer treuer Sohn.“
Wie in Trier, so wurden wir auf unserem ganzen Rückmarsch von der
deutschen Grenze bis zum Rheinstrom in Städten und Dörfern, von groß und
klein, arm und reich mit gleicher Freude, mit gleicher Herzlichkeit begrüßt.
Ich dachte an den „‚Frühlingsgruß“, den sechsundfünfzig Jahre früher einer
der edelsten deutschen Dichter, der Sänger der Befreiungskriege, der zu
früh verstorbene Max von Schenkendorf ‚An das Vaterland“ richtete:
Alles ist in Grün gekleidet,
Alles strahlt im jungen Licht,
Anger, wo die Herde weidet,
Hügel, wo man Trauben bricht;
Vaterland, in tausend Jahren
Kam dir solch ein Frühling kaum,
Was die hohen Väter waren,
Heißet nimmermehr ein Traum.
Am 6. Juli telegraphierte ich an meine Mutter nach Flottbek: „Heute
eingezogen, sehr wohl. Tausend Grüße.“ Am 11. Juli schrieb ich aus