Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER VATER DER TRIAS-IDEE 11 
großen Frankfurter Kollegen erlebt und wird sich manches dabei gedacht 
haben. 
Der bayrische Bundestagsgesandte Herr von der Pfordten war ein 
biederer Mann, aber mehr Professor als Diplomat. Er war der Vater der 
sogenannten Trias-Idee, d. h. einer Dreiherrschaft über Deutschland. Öster- 
reich, Preußen und an der Spitze der mittleren und kleinen Staaten Bayern 
sollten sich in die Leitung teilen, Bayern auf diese Weise das Zünglein an 
der Wage werden. Es war das eine der vielen verfehlten Ideen, die vor 1866, 
in der Bundestagszeit, in Deutschland auftauchten und aufs neue die 
traurige Tatsache aufdeckten, daß den deutschen Intellektuellen nur zu oft 
der Sinn für Realität und damit für Politik abgeht. Die Mittelstaaten hätten 
sich freiwillig allenfalls Österreich, ungern und nur unter starkem Druck 
Preußen, unter keinen Umständen Bayern untergeordnet, dem sie sich 
wenn nicht überlegen so doch durchaus ebenbürtig fühlten. Frau von der 
Pfordten war eine gute, behagliche Frau, auffallend dick, deshalb schwer 
beweglich, und wurde viele Jahre später bei dem Überschreiten eines Eisen- 
bahngleises bei Weesen in der Schweiz totgefahren. Von den Söhnen 
Pfordten, die gleichzeitig mit mir das Frankfurter Gymnasium besuchten, 
machte der älteste, Max, Schulden und wurde bei dem großen Pariser 
Bankier Moritz Hirsch, dem sogenannten Türkenhirsch, untergebracht, der 
in den Champs-Elysees ein prächtiges Palais bewohnte. Als einmal dessen 
Vater, der sich durch Intelligenz und Sparsamkeit in seiner bayrischen 
Heimat in Fürth ein bescheidenes Vermögen erworben hatte, seinen Pariser 
Sohn besuchte und dieser ihm nicht ohne Stolz den jungen Max von der 
Pfordten und andere in seinen Dienst getretene Kavaliere vorstellte, meinte 
der Alte mit gutmütigem Spott: „Aber Moritz, du bist ja ein Lumpen- 
sammler geworden.‘ Der zweite Sohn von der Pfordten, Kurt, wurde bay- 
rischer Gesandter in Bern und vergiftete sich dort später unter dem Druck 
mißlicher Verhältnisse. Der dritte, Hermann, tat gut. Er hat als Univer- 
sitätsprofessor in München musikalische Essays geschrieben und auch, wie 
ich mich zu erinnern glaube, ein patriotisches Trauerspiel verfaßt. Obwohl 
Bismarck nach dem siegreichen Ausgang des Krieges von 1866 Bayern 
politisch und Pfordten persönlich mit weiser Schonung behandelte, blieb 
der Vater Pfordten sein Gegner. Nach dem Tode meines Vaters, 1879, 
schrieb er mir, daß der Heimgang seines alten Frankfurter Kollegen ihn 
geschmerzt hätte und er persöulich den Hinterbliebenen sein herzliches 
Beileid ausspreche. Daß mein Vater sich auf den Boden des neuen Reichs 
gestellt habe, beklage er nach wie vor. Pfordten gehörte in die Kategorie der 
Beust, Dalwigk, Platen, jener mittelstaatlichen Minister, über die das Rad 
der Geschichte wegging. Er war weniger gewandt und unbegabter als die 
drei Vorgenannten, aber redlicher. 
Herr von der 
Pfordten
	        
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